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Nicht eine Leiche

■ Über „Hangin' Out“ von Joseph B. Vasquez

Wie schwierig es kleine Produktionen haben, einen Verleih zu finden, demonstriert wieder einmal Hangin' Out. Obwohl er bereits im Panorama der Berlinale 1991 eine positive Resonanz bei der Kritik fand, kommt er erst jetzt in die Kinos. Ein Schicksal, das in letzter Zeit auch schon Filmen wie Akira und Drugstore Cowboy widerfuhr. Obwohl Hangin' Out ein amerikanischer Film von Minderheiten über Minderheiten für Minderheiten ist und deren pittoreskes Leben im Rahmen der „United Colors“- und „Come Together“-Hysterie und dem Aufschwung des schwarzen Kinos gute Chancen haben, die weißen Massen zu erreichen, wird Hangin' Out wohl kaum den Erfolg anderer unabhängiger, schwarzer Produktionen erreichen — schon weil er sich im Gegensatz zu Boyz'n the Hood nicht die Gewalt, sondern den unspektakulären Alltag des Ghettos zum Thema nimmt. Weil er eben nicht einfach Traumfabrik spielt, der egal ist, ob es sich um Araber, Indianer oder Schwarze handelt, die bestaunt werden wie exotische Tiere, sondern versucht, eine realistische Geschichte mit realistischen Typen zu erzählen. In Hangin'Out tobt nicht der klitzekleinste Bandenkrieg, nicht eine Leiche hat das Drehbuch vorgesehen — gerade mal eine aufgeplatzte Lippe und ein gebrochenes Herz sind zu verbuchen.

Hangin' Out ist die Geschichte einer Nacht, die Geschichte der beiden Schwarzen Willie und Tom und der beiden Puertoricaner Johnny und Vinnie. Diese vier finden sich, suchen gemeinsam Vergnügen und trennen sich im Morgengrauen. Jeder hat bei der Odyssee von der Bronx nach Manhattan und wieder zurück, durch Partys, Peepshows, Bars, Billardsalons und Discos, etwas gelernt, nicht viel, aber immerhin. So wird Hangin' Out zu einem der wenigen Filme, die versuchen, den gegenseitigen Rassismus der Minderheiten zu thematisieren und zu überwinden und zudem eine gewisse Hoffnung anbieten, während der Rest in einer bequemen und arroganten Desillusioniertheit über die eigenen Möglichkeiten verharrt. Rassismus wird nicht aufhören mit dem nächsten Gangwar-Film, wahrscheinlich auch nicht mit Hangin' Out, aber der verstärkt immerhin nicht das Klischee vom Schwarzen mit dem großen Schwanz und der noch größeren Knarre, der nur Drogen und Killen im Schädel hat.

Er tut dies mit den Mitteln der Komödie, mit viel Wortwitz, einer unauffälligen Kamera, guten unbekannten Schauspielern, mit nichts Besonderem. Aber selten war ein Film so lakonisch, war so klein und still und ehrlich, zwar zum Lachen, aber selten zum Weinen, obwohl seine Figuren tragisch sind. Selbst wenn Herzensbrecher Vinnie von seiner Vergangenheit erzählt, die ihn dazu gebracht hat, Frauen wie Dreck zu behandeln, wird Hangin' Out nicht schmalzig. „No more of that shit“, schließt Vinnie ab, mehr nicht. Thomas Winkler

Hangin' Out — 4 Homeboys unterwegs. Von Joseph B. Vasquez, mit Doug E.Doug, Mario Joyner, John Leguizamo, Nestor Serrano u.a. USA, 1990, 91Minuten.

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