piwik no script img

Streit um Abtreibungspille RU486

■ Bundestagsdebatte über Zulassung der „Abtreibungspille“ RU486/ Hoechst als Moralapostel

Berlin (taz) — Sie ist heftig umstritten, die Pille mit dem Namen RU486. Die einen verteufeln sie als „Todespille“, von den anderen wird sie als sanfte und schonende medizinische Methode der Abtreibung gepriesen. Zugelassen ist sie auf dem bundesdeutschen Markt noch nicht, denn die Hoechst AG, deren französische Tochterfirma Roussel Uclaf RU486 herstellt, hat sich bisher geweigert, einen entsprechenden Antrag beim Bundesgesundheitsamt einzureichen. Die SPD stellte nun am vergangenen Donnerstag den Antrag, der Bundestag solle die Herstellerfirma auffordern, die Prüfung und Zulassung von RU486 in Deutschland zu beantragen.

Obwohl die vorangegangene Asyldebatte im Bundestag schon für Aufregung gesorgt hatte, waren die Abgeordneten immer noch so motiviert, auch beim Thema RU486 in Rage zu geraten. GegnerInnen und BefürworterInnen einer liberalen Regelung von Abtreibungen warfen sich gegenseitig vor, den Streit um das Medikament für ihre Zwecke bei der anstehenden Neuregelung des §218 zu benutzen. Die rechtliche Diskussion um die Abtreibungsreform werde unzulässigerweise mit der Erörterung einer neuen medizinischen Methode verquickt, kritisierten RednerInnen der SPD und FDP. Zugleich griffen sie die „Verweigerungs- und Hinhaltetaktik“ der Hoechst AG an. So warf Marliese Dobberthien der Firmenleitung vor, sie schwinge sich zur moralischen Bedenkenträgerin gegen Schwangerschaftsabbrüche auf. Das grenze an Mißbrauch unternehmerischer Macht. Ihrer Meinung nach geht es bei der Einführung von RU486 „eben nicht um Leben und Tod, wie der Vorstandsvorsitzende von Hoechst behauptet, sondern ausschließlich um eine medizinische Methode.“

In Frankreich hatte Roussel Uclaf die Pille nach massiven Protesten der Lebensschützer-Fraktion vom Markt zurückgezogen, konnte allerdings dazu gezwungen werden, sie wieder zur Verfügung zu stellen. Damit haben Frauen, nach den Worten von Dobberthien in „Frankreich, Großbritannien und Österreich das Recht auf einen möglichst schonenden, gesundheitlich weniger risikoreichen Schwangerschaftsabbruch.“

Von einer schonenden Methode des Schwangerschaftsabbruchs waren dagegen die VetreterInnen des Bündnis 90/Grüne nicht überzeugt. Christina Schenk verwies darauf, daß ein Schwangerschaftsabbruch mittels RU486 auf keinen Fall unkomplizierter und schonender sei, als die mechanische Absaugmethode. Im Gegensatz zu ihrer Parteikollegin Iris Blaul, die vergangene Woche massiv für die Einführung von RU486 eintrat, sprach sich Christina Schenk strikt dagegen aus und verwies auf die bewährten mechanischen Methoden des Schwangerschaftsabbruchs, die keine hormonell bedingten, unabsehbaren Nebenwirkungen hervorriefen.

Ihre Ausführungen griff die Parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium Sabine Bergmann-Pohl (CDU) gerne auf. Sie polemisierte in bewährter Manier gegen den Antrag der SPD und bezog sich voller Häme auf die inhaltliche Übereinstimmung mit ihrer politischen Gegnerin Christina Schenk. Natürlich beschwor sie in ihren Ausführungen die Vision einer kinderlosen Gesellschaft, die die Einführung eines Mittels wie RU486 fördere. Denn bedenkenlose Abtreibungen per Pille könnten nur zu einem hemmungslosen Anstieg unkontrollierbarer Abtreibungen führen. Daß die Erfahrungen in Ländern, in denen das Präparat zugelassen ist, diese Vision nicht bestätigen, interessierte nicht. Und selbst den Hinweis auf ihre Parteikolleginnen Rita Süßmuth, Gerda Hasselfeldt und Angela Merkel, die noch im vergangenen Jahr für die Einführung der Pille eintraten, brachten Bergmann-Pohl nicht aus dem Konzept. Sie nannte den Antrag der SPD unseriös, entlarvend und irreführend und forderte, man solle sich lieber Gedanken machen, wieso die Abtreibungen in unserem Land ins Unermeßliche stiegen. Kennzeichnend für die Debatte waren die laufenden Verquickungen verschiedener Problemfelder: die medizinische Methode, die eine Pille wie RU486 darstellt, konnte selten getrennt von der Diskussion um eine Neuregelung des §218 gesehen werden. Selbst die Ausschüsse, die sich in ihren nächsten Sitzungen mit der Zulassung der Pille befassen sollen, werden zu einer weiteren Verquickung beitragen. Denn neben dem federführenden Gesundheitsausschuß soll sich unter anderem paradoxerweise auch der Sonderausschuß zum §218 mit dem Thema RU486 befassen. flo

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen