piwik no script img

Jedes Jahr 400 totale Verweigerer

■ Bundestreffen sieht wachsenden Antimilitarismus

Seit der deutschen Vereinigung sei die Zahl der Totalverweigerer des Wehrdienstes deutlich gestiegen. Hätten früher in der Bundesrepublik rund 50 Männer im Jahr sowohl Kriegs- als auch Zivildienst verweigert läge die Zahl heute bei rund 400. Besonders in Berlin und den neuen Bundesländern wachse die Abneigung gegen die Wehrpflicht. Mit dieser Einschätzung wandten sich Sprecher des „Bundestreffens der Totalen Kriegsdienstverweigerer“ gestern an die Presse.

Drei Tage lang hatten sich rund 60 Totalverweigerer im Bremer Jugendfreizeitheim Wehrschloß getroffen, um über ihre Situation und politische Zukunft zu beraten. Über zehn Teilnehmer waren aus Ostdeutschland angereist. „Allein in Dresden wissen wir von 20 Fahnenflüchtigen, die sich zur Zeit vor den Feldjägern der Bundeswehr versteckt halten“, berichtete ein Teilnehmer des Treffens. Während in der DDR die strafrechtliche Verfolgung von Totalverweigerern 1985 eingestellt worden sei, drohe ihnen nun nach den Bundesgesetzen wieder Knast bis zu fünf Jahren.

In ihrer Abschlußerklärung forderten die Totalverweigerer, die sich regelmäßig — aber ohne einen festen organisatorischen Rahmen — treffen, denn auch neben der Abschaffung der Wehrpflicht eine „Entkriminalisierung von Kriegsdienstverweigerern“. Immer wieder komme es dazu, daß Totalverweigerer sogar zweimal bestraft würden: Nach ihrer ersten Verurteilung bekämen sie eine zweite Einberufung, die dann bei fortgesetzter Verweigerung wiederum zu einer Verurteilung führe — „ein klarer Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung im Grundgesetzt“, sagte ein Totalverweigerer.

Am Samstag hatten die Teilnehmer des Bremer Treffens mit einer Aktion in der Lloyd-Passage auf ihre Forderung nach Abschaffung der Wehrpflicht aufmerksam gemacht. „Sich auch im Frieden dem Krieg total verweigern“ hieß die Parole auf einem großen Transparent, das vom Dach über der Einkaufsstraße heruntergelassen wurde. „Obwohl auch einige Fahnenflüchtige, die aktuell von der Bundeswehr gesucht werden, auf unserem Treffen waren, hat uns die Bremer Polizei total in Ruhe gelassen“, lobte einer der Verweigerer anschließend. Ase

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen