: Wartebank statt Sonnenstrand
■ Ratlosigkeit bei Urlaubern — Flughafen wegen Streiks geschlossen
„Der Streik wird auf dem Rücken der kleinen Leute ausgetragen“, sagt Thomas Lieshoff müde und entnervt. Zusammen mit über 100 anderen Passagieren steht der 25 Jahre alte Gießereifacharbeiter in der Abfertigungshalle des Flughafens Hannover-Langenhagen. Die Urlauber warten auf den Abflug nach Fuerteventura. Während das Bremer Flughafenpersonal normal arbeitet (s. u.), haben fast alle 60 Mitglieder der Hannoveraner Flughafenfeuerwehr gestern die Arbeit niedergelegt, auf den Rollfeldern läuft aus Sicherheitsgründen deswegen nichts mehr.
„Wir sind froh, wenn wir überhaupt noch wegkommen“, sagt eine Frau aus Einbeck, die seit 05.00 Uhr auf den Beinen ist. „Wenn es nicht klappt, bin ich total sauer“. Wie bei ihr schwankt die Stimmung der meisten Passagiere, die auf den Flug nach Fuerteventura warten, zwischen Hoffnung und Frustation. Aus dem Rundfunk haben sie erfahren, daß Reiseveranstalter trotz des Streiks ihre Kunden in den sonnigen Süden bringen wollen. Die Spanien-Urlauber sollen auf den Flughafen Paderborn-Lippstadt ausweichen. Sie werden mit gemieteten Bussen dorthin gefahren.
Viele Urlauber sind wegen der Streikursachen verärgert. „Streik als letztes Mittel kann ich ja verstehen. Aber ich habe kein Verständnis dafür, wenn es nur um 0,6 Prozent geht“, sagt zum Beispiel Unternehmer Andreas Schwerdt. „Ich finde es unmöglich“, macht sich Monika Nitschke aus Oeynhausen Luft. „Die im Öffentlichen Dienst habe es gerade nötig. Die bringen sich eh nicht um vor Arbeit“, meint die 45 Jahre alte Taxifahrerin. Unter den Passagieren sind auch Gewerkschaftsmitglieder. „Hauptsache unsere Forderungen kommen durch, auch wenn der Urlaub draufgeht“, hält Rentner Bruno Müller dagegen.
Eine Frau aus Wittenberg in Sachsen-Anhalt ist ganz aufgelöst. Die 38 Jahre alte Köchin muß in die Türkei. Sie arbeitet dort in einem Hotel. „Unsereiner will nur arbeiten und da streiken die einfach“, sagt sie verbittert. „Wir sind in der DDR auch auf die Straße gegangen, aber für andere Ziele“, meint sie vorwurfsvoll. Ein Ehepaar aus Alfeld regt sich über die „Rücksichtslosigkeit der Streikparteien“ auf. Sie haben ihre 72 und 70 Jahre alte Eltern weggebracht. „Die beiden sind ganz aufgeregt, das kann man doch nicht machen“, beschweren sie sich.
In Hannover waren gestern 70 Starts und Landungen vorgesehen. Rund 8.000 Passagiere sollten befördert werden.
Hans-Edzard Busemann / lni
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