piwik no script img

Polizei von fast allen Seiten gelobt

■ Innensenator Dieter Heckelmann sowie CDU und SPD zufrieden mit polizeilichem Vorgehen am 1.Mai/ Polizeipräsident Georg Schertz erleichtert/ Sanfte Kritik von FDP und Grünen/Bündnis 90

Berlin. Noch vor Wochen mußte Polizeipräsident Georg Schertz befürchten, daß seine weitere politische Karriere am 1. Mai einen Knick erhalten könnte, wäre doch ein mißlungener Polizeieinsatz seinen Kritikern in CDU und FDP willkommener Anlaß gewesen, erneut und heftig an seinem Stuhl zu sägen. Diese Angst ist ausgestanden, denn aus den Auseinandersetzungen in Kreuzberg und Prenzlauer Berg ist Schertz gestärkt hervorgegangen.

In der gestrigen Sitzung des Innenausschusses des Abgeordnetenhauses lobte nicht nur Innensenator Dieter Heckelmann seinen obersten Polizeibeamten, mit dem er noch im März über Kreuz lag, uneingeschränkte Zustimmung erklang auch beim stellvertretenden parlamentarischen Geschäftsführer der CDU, Dieter Hapel. Nach Heckelmanns Einschätzung ist die »Taktik der äußersten Zurückhaltung bei gleichzeitigem entschiedenem Zugriff bei Angriffen gegen Personen« aufgegangen. Die Polizei habe die »Bewährungsprobe« bestanden.

Kein nennenswerter Schlagstockeinsatz

Die Polizei habe, so führte Schertz vor dem Ausschuß aus, am 1. Mai vor einer schwierigeren Situation als noch in den letzten Jahren gestanden — zum einen, weil sie sich an drei Einsatzorten zu bewähren hatte, zum anderen, weil von Anfang an eine hohe Aggressionsbereitschaft bei den Demonstranten geherrscht habe. Dem sei man mit einem Einsatzkonzept begegnet, das bereits 1991 eingeführt und in diesem Jahr modifiziert wurde: Es habe keinen nennenswerten Schlagstockeinsatz gegeben, dafür seien jedoch verstärkt Wasserwerfer und Tränengas zum Zuge gekommen. Bei dessen Einsatz seien allerdings auch Unbeteiligte getroffen worden. So ist, laut Schertz, eine Gasgranate in einem Lokal gelandet. Der verantwortliche Polizeibeamte habe sich jedoch sofort entschuldigt.

Obgleich er in dieser Taktik nichts grundsätzlich Neues erkennen konnte, meinte auch der innenpolitische Sprecher der SPD, Hans-Georg Lorentz, daß die »größere Professionalität der Polizisten« bei dem Einsatz das Lob des Parlaments verdient habe. Auch Wolfgang Wieland vom Bündnis 90/Grüne konzidierte der Polizei, daß es zum sparsamen Gebrauch des Schlagstocks gekommen sei. Allerdings habe der Wasserwerfereinsatz, nach seiner Beobachtung, gleichermaßen »Gerechte und Ungerechte« getroffen.

Bei 52 Geschäften Scheiben eingeworfen

Insgesamt sind, nach Schertz' Angaben, bei den Auseinandersetzungen am 1. Mai 294 Personen festgenommen worden, das sind 113 mehr als 1991. Gegen 142 der Festgenommenen (1991: 76) wird wegen Straftaten ermittelt, 24 von ihnen wurden Haftrichtern vorgeführt. Diese haben in 23 Fällen (1991: 4) einen Haftbefehl ausgesprochen, davon wurde in 15 Fällen (1991: 4) eine Haftverschonung erteilt. Laut einem internen Resümee der Lagezentrale sind 52mal bei Geschäften Scheiben eingeworfen worden, in sechs Fällen kam es dabei zu Plünderungen. Insgesamt wurden 57 Autos beschädigt. dr

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen