Neue Stasi-Vorwürfe gegen Gysi

■ Akten sollen belegen, daß der PDS-Chef Gespräche mit Rudolf Bahro der Stasi weitergereicht hat

Berlin (taz) — Das ARD-Fernsehmagazin Kontraste hat seine Stasi- Vorwürfe gegen den PDS-Parteichef Gregor Gysi untermauert. Gysi hat wiederholt bestritten, unter dem Decknamen „IM Notar“ für den Staatssicherheitsdienst gearbeitet zu haben — wie Brandenburgs Ministerpräsident Stolpe oder der Rektor der Berliner Humboldt-Universität Heinrich Fink behauptet er, daß die im Zusammenhang mit seiner Person aufgetauchten belastenden Akten ohne sein Wissen und nur aufgrund von Überwachungsmaßnahmen oder in seiner Umgebung plazierter Informanten zustande gekommen sein können. Kontraste dokumentierte gestern Auszüge aus neuen Dokumenten. In ihnen ist nach Angaben des SFB über Gysi vermerkt, daß er über Aussprachen mit seinem Mandanten Rudolf Bahro in der Haftanstalt Bautzen „berichtete“ und Gesprächsinhalte „im Extrakt auf Tonband sprach“.

Die Tonbandabschriften schilderten Details auch von einem Gespräch unter vier Augen zwischen Gysi und Bahro aus der persönlichen Sicht Gysis. Die Dokumente sollen Informationen enhalten, die Bahro, aus Furcht abgehört zu werden, seinem Anwalt auf dessen Papiere aufgeschrieben habe. Aus den Akten gehe hervor, „daß Gregor Gysi außer über Bahro auch über andere Personen berichtet habe, woraufhin beschlossen wurde, Maßnahmen gegen sie einzuleiten“. Nach Angaben des SFB erklärte Gysi, in keinem einzigen Fall Details über diese Gespräche weitergegeben zu haben.

Eine Mehrheit der Bürger ist nach einer am Montag vom Norddeutschen Rundfunk veröffentlichten Infas-Umfrage dafür, einen Schlußstrich unter die DDR-Vergangenheit zu ziehen. 54 Prozent der Befragten im Osten und 52 Prozent im Westen sprachen sich dagegen aus, weiter menschliche Schicksale und politische Karrieren von den Stasi-Akten abhängig zu machen. Eine Mehrheit ist außerdem dafür, daß der brandenburgische Ministerpräsident Manfred Stolpe trotz seiner Kontakte zum Staatssicherheitsdienst im Amt bleibt.

Von den ehemaligen DDR-Bürgern meinten 61 Prozent, daß abgesehen von schweren Verbrechen ein Schlußstrich unter die DDR-Vergangenheit gezogen werden sollte. In den alten Bundesländern waren 53 Prozent dieser Ansicht. Nur 18 Prozent der Bundesbürger bewerteten die Stasi-Akten als unverfälschte Dokumente. Zweifel an ihrer Aussagekraft hegen nach der Umfrage dagegen 70 Prozent der West- und 61 Prozent der Ostdeutschen.