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Wer sind die Grünen Barette?

Die Verteidigungsstreitkräfte der Muslimanen werden auch aus der arabischen Welt unterstützt  ■ Von Roland Hofwiler

Offiziell heißen sie „Territorialverteidigungskräfte der Republik Bosnien-Herzegowina“, bekannt sind sie allerdings als die „Grünen Barette“. Ihr Erkennungszeichen sind nämlich grüne Kappen, dazu meistens auch noch eine grüne Uniform. Die ist jedoch nicht Pflicht, ebensowenig wie der grüne Halbmond als Abzeichen an der Jacke. Soldaten, die sich weniger religiös oder gar nicht dem Islam zugehörig fühlen, tragen rote oder blaue Barette.

So vielfältig ihr äußeres Erscheinungsbild, so „kommandolos“ agieren sie. Jeder, der glaubt, eine Waffe bedienen zu können, kann eine eigene bewaffnete Gruppe aufbauen, den Guerilla- und Kleinkrieg gegen die jugoslawische Volksarmee und serbische Freischärlerverbände aufnehmen. „Unsere Taktik ist von nun an die des Partisanenkrieges, damit werden wir den serbischen Faschismus besiegen, wie im Zweiten Weltkrieg unsere tapferen Väter mit der gleichen Strategie unsere Heimat befreiten.“ Der Mann, der das sagt, war noch vor kurzem Boutiquebesitzer und populärer Fußballtrainer in Mostar. Heute befehligt der Kroate Jerko Doko als neuer bosnischer Verteidigungsminister die Territorialstreitkräfte, die er so schnell wie möglich in eine reguläre Armee umwandeln möchte. Doch ohne internationale Militärhilfe sei dies nicht zu realisieren, bedauert der neuerkorene General, „nicht einmal Kroatien liefert schwere Waffen, die wir dringend benötigen“.

In welchem Ausmaß Waffen und Munition also tatsächlich an die „Grünen Barette“ gelangen, darüber kann nur spekuliert werden. Militärexperten wie der slowenische Soziologe und Diplomat Anton Bebler oder der Izetbegovic-Berater Teodor Gersak glauben, auf jeden Fall ausreichend für einen Guerillakrieg. Die Gründe: Hunderttausende Bosnier leben in Kroatien, weitere zwei- bis dreihunderttausend in Westeuropa als Gastarbeiter. In Eigenregie organisieren sie im großen Stil den Waffennachschub, und manch einer nimmt sogar Betriebsurlaub, um selbst im Verteidigungskampf mitzumischen.

Eine weitere große „Kampfreserve“ bilden die Türkei und einige arabische Staaten. Denn schon im Tito-Kommunismus wanderten schätzungsweise bis zu 200.000 Bosnier als sogenannte „ethnische Türken“ auf den Bosporus aus, zehntausend suchten im Irak, in Saudi-Arabien und Ägypten Arbeit, um so dem kommunistischen Alltagsterror zu entkommen. Viele dieser Auswanderer haben die Brücken zu ihrer alten Heimat nie ganz abreißen lassen, in diesen Ländern heute sogar politische Verbündete gefunden, die einem Gemetzel an ihren Glaubensbrüdern in Bosnien nicht tatenlos zusehen wollen. Selbst Bosniens Präsident Alija Izetbegovic wies in den letzten Wochen immer wieder auf diesen Sachverhalt hin und zog daraus die Schlußfolgerung, Serbien werde es nie wagen, einen Krieg aus diesen Gründen anzuzetteln, denn dies würde die Internationalisierung des Konfliktes bedeuten, der schnell in einen Krieg gegen die Republik Serbien umschlagen könne.

Nun fordert Izetbegovic offen die militärische Unterstützung fremder Staaten gegen den „serbischen Angriffskrieg“, wie er ihn nennt. Und es scheint, als würden die Türkei und andere arabische Staaten des Nahen Ostens keinen Augenblick zögern, Bosnien militärisch beizustehen. Izetbegovic, ein Taktiker, der bis zuletzt alles auf friedlichem Verhandlungswege lösen wollte, könnte außerdem gegen Fundamentalisten in seiner Partei verlieren. Einer ist Sulejman Ugljanin, Vorsitzender des informellen moslemischen Nationalrates im serbischen Sandzak. Dieser Hardliner setzt schon lange auf den Heiligen Krieg: „Was die serbischen Generäle verstehen, ist nur die Kugel und das Messer.“ Wenn der serbische Eroberungskrieg nicht unverzüglich in Bosnien eingestellt werde, werde er die „Südfront“ eröffnen. Aus diesen Gebieten könnten genügend Männer über Nacht rekrutiert werden und so Hunderttausende Muslimanen und Albaner den Kampf gegen Serbien aufnehmen. Bisher zählen die „Grünen Barette“ in Bosnien nämlich nicht mehr als 70.000 Mann. Bisher.

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