: Trippelschritte unter Gewehrfeuer
■ Südafrikas Verhandlungspartner proklamieren einen Teildurchbruch
Trippelschritte unter Gewehrfeuer Südafrikas Verhandlungspartner proklamieren einen Teildurchbruch
Der totale „Durchbruch“ ist es sicher nicht, den Südafrikas Regierung und der Afrikanische Nationalkongreß (ANC) bei den Gesprächen über den Übergang zur Demokratie erzielt haben. Einklang in einigen Fragen steht gegen fortdauernde Mißtöne in anderen. Ausgeräumt ist ein Teil des Streites über die ersten Schritte zu einer zukünftigen Interimsregierung. Die weiße Minderheitsregierung muß nun nicht mehr, wie vor kurzem noch vom ANC gefordert, zurücktreten. Sie besteht parallel zu einem alle Parteien vertretenden „Superkabinett“ weiter und muß — so sieht es jedenfalls der ANC — dessen Vorgaben ausführen. Eine Art Doppelregierung, wie sie bereits in mehreren afrikanischen Staaten als Mittel des Übergangs zu demokratischeren Staatsformen diente, soll also die anvisierten freien Wahlen zu einer Verfassunggebenden Versammlung vorbereiten. Wer letztendlich darin die Fäden zieht, wird davon bestimmt sein, wer besser taktiert und wer in Einzelfragen über den längeren Hebel verfügt.
In dem Institutionenwust gerät der gigantische Fortschritt, den Südafrika in den letzten drei Jahren gemacht hat, leicht in Vergessenheit. Diskutiert wird schließlich heute nicht mehr, ob die Weißen die politische Alleinherrschaft abgeben sollen, sondern nur noch wann und wie — vor wenigen Jahren noch undenkbar. Die aus diesem Wandel entstandenen komplizierten politischen Verhältnisse sind kein Ausdruck von Unschlüssigkeit, sondern sie reflektieren die Komplexität der in der Apartheidära gewachsenen politischen Organisationsformen. In Europa hätten — und haben — solch weitreichende Veränderungsprozesse längst zum allgemeinen Bürgerkrieg geführt.
Traurig, daß es auch in Südafrika einen Bürgerkrieg gibt und daß dieser trotz aller Verhandlungen weitergeht. Daß der ANC sich überhaupt darauf einließ, für eine Übergangszeit die Macht mit der jetzigen Regierung zu teilen, war bereits eine Notlösung — eine Eilreaktion auf die eskalierende Township-Gewalt, deren Drahtzieher im dunkeln bleiben.
Die schnelle Einsetzung der geplanten Interimsregierung ist vor allem deshalb wichtig, weil sie die beste Chance ist, die Kriegsspirale zu brechen. Kein Wunder also, daß Nelson Mandela immer wieder die fortschreitende Gewalt als Grund nennt, warum die jetzigen Gespräche doch noch scheitern könnten, und warum seine Warnungen an die Regierung, sie tue zuwenig gegen diese Gewalt, nicht nur einfach humanitäre Besorgnis widerspiegeln. Bisher werden die Trippelschritte im Verhandlungsprozeß vom Maschinengewehrfeuer in den Slums noch nicht übertönt. Doch was nützt in ein paar Jahren die Demokratie, wenn für die Township-Mehrheit ein normales Leben schon heute nicht möglich ist? Dominic Johnson
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