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Grüne Lehrerbasis meutert

■ Unzufriedenheit über die Sparbeschlüsse in der Bildungspolitik

„Euch wählen doch nur die Lehrer aus dem Viertel, und mit denen verderbt ihr es euch jetzt auch noch.“ — „Die grüne Partei schaufelt derzeit ihr eigenes Grab.“ — „Ich habe öffentlich zur Wahl der Grünen aufgerufen, und ich muß sagen: Ich bin jetzt stinksauer.“ Die Stimmen der Basis klangen wahrlich nicht begeistert für die Grünen. „Bildungspolitik ohne Chance“ hieß die Veranstaltung der Öko-Regierungspartei am Dienstag Abend im Konsul- Hackfeld-Haus. Etwa 80 überwiegend Lehrerinnen und Lehrer waren erschienen und ließen Dampf ab: Auf dem Diskussionsprogramm standen die jüngsten Sparbeschlüsse des Ampel-Senats vom 28. April.

Dabei hatten die Grünen alles so nett eingefädelt. Ein moderater Thomas Stryck, Mitglied der Bremer Bildungsreformkommission, lobte die Struktur des Bremer Schulsystems, die es trotz Sparbeschlüssen zu erhalten und weiterzuentwickeln gelte. „Wir müssen angesichts des Finanzdiktats aber eine ausführliche Diskussion darüber führen, auf welchem Gebiet wir dieses Schulsystem weiterentwickeln wollen.“ Strycks hielt Einsparungen in der gymnasialen Oberstufe (Klassen 11-13) durchaus für vertretbar, wenn dafür die Grundschule in ihrer „hochdifferenzierten Struktur“ erhalten bliebe. Gemeint war damit vor allem die Halbklassendiffenzierung und die Kleinklassenmodelle.

Der bildungspolitische Sprecher der Grünen, Wolfram Sailer, mußte schon kämpfen. Von „schmerzhaften Veränderungen“ aufgrund der Sparbeschlüsse redete er, von einem Koalitionsvertrag, den es einzuhalten gelte, und von den „positiven Zielen“, die die Sparbeschlüsse dennoch bringen würden: 30 Neueinstellungen und die zeitliche Abfederung des Stellenabbaus auf Bundesdurchschnitt bis zum Jahr 2000. Vom senatorischen Skalpell wollte er nicht mehr reden, dafür von einer „Notoperation mit Taschenmesser.“ Reformen seien auch auf dem neuen Sparkurs „mit einem begrenzten Spielraum“ möglich, „das Schulsystem wird überleben.“ Sailer hatte einen harten Job: Er war damals gegen eine Beteiligung der Grünen an der Regierung gewesen und muß nun die Sparbeschlüsse verteidigen.

Die Stimmung war schon deutlich gegen die Grünen gerichtet, als Gesamtschülervertreter Lambert Heller polemisierte: „Die Grünen bersten vor Politikfähigkeit.“ Der Erfolg der Sparpolitik basiere auf dem Schweigen aller Beteiligten, „die Folgen der Sparpolitik sind verheerend.“ Das Grundkursangebot würde drastisch reduziert, die Wahlmöglichkeiten dadurch für die Schüler erheblich eingeschränkt. Yasmina Wöbbekind, Sprecherin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, schlug in die gleiche Kerbe. Die aktuellen Sparbeschlüsse bedeuteten das Ende der Kleinklassen, das Ende des offenen Unterrichtes, das Ende „aller pädagogischen Innovationen“.

Scharfe Kritik für die Grünen auch von der Sprecherin des Zentralen Elternbeirates (ZEB), Marianne Isenberg. Die kleinliche Diskussion um eine Stelle hier und eine Stunde da führe zu nichts. „Wir müssen hier prinzipiell diskutieren, was uns Bildung wert ist, welche Gesellschaft wir wollen.“ Es gelte, gegen zunehmendes Konkurrenzdenken, gegen Entsolidarisierung und Aussonderung pädagogisch vorzugehen. „Wenn das wahr wird, was der Senat beschlossen hat, dann wird der Grundgedanke unseres Systems von Schulzentren ausgehebelt.“ Die politischen Folgen dieser Sparbeschlüsse aufzuzeigen, wäre die Aufgabe der Grünen und ein Gebot der Redlichkeit gewesen. Stattdessen hätten sie die Sprache der Einnebelung sehr schnell gelernt.

Da nutzte es auch nichts, wenn Karin Krusche vom Landesvorstand der Bremer Grünen die Kastanien für die Partei aus dem Feuer holen wollte. „Bei diesen Sparbeschlüssen gibt es nicht viel zu verteidigen“, räumte sie schon ziemlich kleinlaut ein. Es sei Aufgabe der Grünen, den Widerstand gegen dieses Senatspolitik zu organisieren. Da die Grünen bei diesem Beschluß kräftig mitgemischt hatten, sei „ein Widerspruch, um den wir nicht herumkommen.“

Dann hagelte es Kritik aus dem Publikum: Der Schulleiter der Gesamtschule Mitte, Armin Stolle, forderte auf, „die Schüler, die wir mehr zugewiesen bekommen, abzuweisen.“ Die Lehrer müßten der Motor des Widerstandes werden, die Diskussion um die Eckwerte der Finanzpolitik müsse wieder aufgenommen werden.“ Ein anderer sprach von einem Klima der „Anweisungspädagogik“, daß da wieder Einzug in die Schulen halte. Der nächste sah voraus, das „die Sekundarstufe I (Klassen 7-10) an den Sparbeschlüssen zerdeppern werde“ - der nächste sah bereits das Gymnasium „ganz ohne Hilfe der FDP“ wieder in Bremen. Protest aus allen Reihen, aber auch Ratlosigkeit: „Wie sollen wir unsere Schüler glaubhaft zur Mitbestimmung auffordern, wenn uns in diesen wichtigen Fragen selbst jeder Einfluß beschnitten wird?“ fragte eine Lehrerin in den Raum. Markus Daschner

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