Unmenschlicher Streit um Formalien

■ Ehemaligem KZ-Häftling droht Abschiebung/ Er habe nicht den richtigen Antrag gestellt

Berlin. Ab Freitag droht Viktor Bat, einem sowjetischen Juden aus Odessa, die Abschiebehaft. Die Ausländerbehörde und Rechtsanwalt Claus Rosenkranz zanken sich derweil um Formalien: Welcher Antrag wurde eingereicht, und war es auch der richtige Antrag?

Bat war im Dezember 1991 nach Berlin gereist, um bei der Familie seiner Tochter zu leben, die Anfang des Jahres eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erhalten hatte. Bats Antrag auf Anerkennung als Kontingentflüchtling wurde jedoch abgelehnt. Zum Zeitpunkt seiner Einreise war der Stichtag — 10. November 1992 — bereits abgelaufen.

Wenn Viktor Bat nicht als Kontingentflüchtling anerkannt wird, könnte er eine »Aufenthaltsduldung aus humanitären Gründen« beanspruchen. Die Frage ist, hat er einen solchen Antrag gestellt? Während Rechtsanwalt Rosenkranz aus dem Widerspruch seines Mandanten zitiert: »Des weiteren bitte ich Sie, weil ich alleinstehend bin und keine Verwandten mehr in der Ukraine habe, mir aus humanitären Gründen eine Aufenthaltsbefugnis zu erteilen«, behauptet Ulrich von Chamier, Leiter der Ausländerbehörde, Viktor Bat habe nie eine Aufenthaltsduldung beantragt.

Laut Rosenkranz findet sich in Bats Ausländerakte auch kein Hinweis darauf, daß die Ausländerbeauftragte John im März 1992 den »Fall Bat« der Innenverwaltung als Härtefall geschildert hat. Der 1940 geborene Viktor Bat war ein Jahr alt, als die SS ihn und seine Familie in das Konzentrationslager Domanevka und später in das Konzentrationslager Atmicetka verschleppte. 1944 wurden die KZ-Insassen von den Russen befreit. Einen amtlichen Nachweis seiner KZ-Internierung hatte Bat seinem Antrag auf Aufenthaltsgenehmigung beigelegt. Sollte die Ausländerbehörde in ihrer Akte doch noch den Antrag Bats auf Erteilung einer Aufenthaltsbefugnis finden, wird sie den Antrag laut Chamier »wohlwollend« prüfen.

Die Behörde könnte das Gezerre um die Abschiebung von Viktor Bat jedoch auch durch seine Anerkennung als Kontingentflüchtling beenden. Das Hindernis »versäumter Stichtag« ließe sich umgehen, indem die Behörde einfach Bats erste Einreise gelten läßt. Viktor Bat war nämlich schon einmal in Berlin und hatte eine Aufenthaltsgenehmigung beantragt. Das war im August 1991. Damals war der Stichtag für die Aufnahme von Kontingentflüchtlingen jedoch noch der 30. April. »Zu spät«, beschied ihn im August die Ausländerbehörde. Für den zwischenzeitlich verschobenen Stichtag 10. November wäre es früh genug. Anja Seeliger