: Kritik an bundesdeutscher Rio-Politik
■ Umweltverbände: Bonn fehlt „politischer Mut“ zur Rettung der Natur/ Westen hat Konto überzogen
Bonn (dpa/ap) - Umweltverbände haben der Bundesregierung vorgeworfen, bei der Vorbereitung der UNO-Umweltkonferenz in Rio de Janeiro nicht den nötigen „politischen Mut“ gezeigt zu haben, um insbesondere verbindliche Vereinbarungen zum Klimaschutz zu erreichen. Der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und der Deutsche Naturschutzring (DNR) kündigten am Mittwoch an, sie wollten auf der Schlußsitzung des Nationalen Komitees für die Rio-Konferenz bei Bundeskanzler Helmut Kohl heute ihre „scharfe Kritik“ an der deutschen Haltung deutlich zu machen.
Die Bundesregierung trage mMitverantwortung, daß die Industrieländer mit leeren Händen nach Rio führen. Die Sprecher der Verbände beklagten vor der Presse auch, daß von einer echten „Einflußnahme“ der am Komitee beteiligten Umweltverbände auf den Entscheidungsprozeß der Regierung im Blick auf Rio „nicht die Rede“ sein könne. Die Sprecher der beiden großen Umweltverbände äußerten vor der Presse die Sorge, daß die Rio-Konferenz zu einer „reinen Zahlungskonferenz verkommen“ könnte. Dabei sei der Norden aber offenkundig nur zu „ein paar Glasperlen“ bereit ohne echte Hilfeleistung und eigene wirksame Beiträge zur Rettung von Umwelt und Natur. Die Entwicklungsländer benötigten jährlich fast 200 Milliarden Mark, um den größten Umweltzerstörungen entgegenzuwirken.
In einer im Auftrag von BUND und DNR angefertigten Studie des Wuppertal-Instituts für Klima, Umwelt und Energie wird anhand von Datengegenüberstellungen dargelegt, wie sehr Deutschland und die Industriestaaten allgemein das „Umweltkonto“ im Vergleich zu Entwicklungsländern überzogen hätten. Autor Raimund Bleischwitz sagte, im Vergleich zu Menschen in einem Entwicklungsland verbrauchten die Deutschen siebenmal soviel Energie, pusteten zehnmal soviel Kohlendioxid in die Umwelt, hätten 74mal soviele Autos und produzierten 50mal soviel Giftmüll. So betrage beispielsweise der jährliche Energieverbrauch pro 1 000 Menschen in Ägypten nur ein Achtel des Verbrauchs in Deutschland.Erst wenn die Industriestaaten glaubhaft machen könnten, daß sie nachweisbar ihren Naturverbrauch um den Faktor fünf bis zehn senkten, könnten sie mit der Dritten Welt über Umweltauflagen verhandeln.
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