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Die SPD leidet an Mitgliederschwund

Studie über den Zustand der Partei verheißt wenig Tröstliches/ Ortsvereine ersticken im Mief  ■ Aus Bonn Tissy Bruns

Der SPD droht Schwund. Als Bundesgeschäftsführer Karlheinz Blessing gestern eine Parteistudie vorstellte, mußte er wenig angenehme Erkenntnisse ausbreiten: Junge Leute kommen höchst ungern zur SPD, die Austritte in den alten Ländern können durch den bescheidenen Anstieg in den neuen nicht kompensiert werden, und das Parteileben ist auch nicht interessanter geworden.

„Aus Erfahrung lernen“, so der Titel der Studie, faßt die Ergebnisse einer Mitglieder- und Funktionärsbefragung zusammen, die Blessing bei Amtsantritt in Auftrag gegeben hatte. 36 % der 5.400 angeschriebenen Mitglieder, 56% der 810 gefragten Funktionsträger gaben Auskunft. Die Befunde beziehen sich auf die alten Bundesländer.

Punkt 1 der Zusammenfassung: „Der Erhalt als große Mitgliederpartei ist mittelfristig gefährdet.“ Grund: immer weniger junge Leute treten ein, nur noch fünf Prozent der SPD sind jünger als 25. Umso erfolgreicher die Arbeit bei den Senioren. Fast jedes vierte Mitglied ist im Ruhestand. Abgeebbt ist auch die „über einige Jahre erfreuliche Eintrittswelle von Frauen“. Obwohl in den letzten beiden Jahren über 60.000 neue Mitglieder zur SPD kamen, muß Blessing feststellten: „Diese Eintrittswelle reicht nicht aus, um die dramatischen Mitgliederverluste, die insbesondere seit 1991 zu beobachten sind, zu kompensieren.“ Der Zuwachs im Osten bleibt in engen Grenzen, immerhin liegt die Mitgliederzahl insgesamt noch über 900.000.

Der Ortsverein, Ort der Basisaktivität, ist trotz aller Modernisierungsdiskussionen in der SPD, nicht attraktiver geworden. „Uninterssante Themen, langweilige Veranstaltungen“ bescheinigen die Befragten dem Parteileben — Grund für Aktivitätsrückzuge (vor allem in den Städten) und ausbleibende Neuzugänge. Während in den siebziger Jahren eher eine „Theorielastigkeit“ beklagt wurde, ist der heutige Ortsverein fast allzu kommunalpolitisch. Die Studie: „Die Basis arbeitet im gewohnten Rhythmus, Bonn ist relativ weit weg.“ Und: „Man bleibt unter sich.“ Blessings Gegenvorschläge lauten: „Erhöhung der Beteiligungskompetenz von Nichtmitgliedern und Erweiterung der Entscheidungskompetenz von Mitgliedern.“ Mit anderen Worten: Die sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaften sollen sich Nichtmitgliedern öffnen, interessierte MitbürgerInnen sollen punktuell an der SPD mitwirken können. Zwei Vorschläge sind in der Diskussion, wie die Rechte der Mitglieder erweitert werden könnten. Blessing votiert für die Urwahl der KandidatInnen für Kommunal-, Landes- und Bundesparlamente. Und bei inhaltlichen Fragen soll es ruhig mal eine Urabstimmung geben.

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