: Deutsche Kammerphilharmonie
Eigentlich kann man sich über die Ansiedlung eines Musikunternehmens unter dem Namen „Deutsche Kammerphilharmonie“ nur erfreuen. Sie wird das musikalische Spektrum unserer Stadt bereichern. Wettbewerb ist gesund. Das Orchester wird ein geschickter Werbeträger der Bremer Wirtschaft werden. Radio Bremen bekommt ein perfektes Ensemble am Ort (falls Bernbacher als Dirigent akzeptiert wird), eine überstürzende Vielfalt von Innovationen (nach Thomas Albert) z. B. an der Musikhochschule u. u. u. — das Ganze für lächerliche 300.000-DM. Das ist heute wirklich kein Geld mehr, nicht einmal in Bremen.
Erlaubt ist aber doch einmal zu untersuchen, wie dieses Orchester in der Nähe aussieht, für das hier so überschwenglich mit Hieben nach allen Seiten geworben wird. Es ist eine Vereinigung von qualifizierten Studenten aus ganz Deutschland mit mehr oder weniger abgeschlossener Ausbildung, die in verschiedenen Arbeitsphasen (Wochen) zusammenkommen, um bestimmte Programme zu erarbeiten.
Modern an diesem Konzept ist straffe Organisation, „basisdemokratische“ Selbstbestimmung bei der Wahl der Mitspieler und Mitbestimmung bei der Wahl der Dirigenten. Die Arbeit ist idealistisch stark motiviert; man hat viel Zeit, viel Gelabere und das Glück, dem gefürchteten Berufsorchesterfrust noch eine Zeitlang zu entgehen — bis man eben Gott sei Dank dann doch eine sicher dotierte Lebensstellung irgendwo bekommt. Die starke Fluktation spielt bei minutiös geduldig einstudierten Programmen keine Rolle, aber sie ist vorhanden, und man glaube ja nicht, daß diese Musiker hier ständig leben werden.
Diesen hoch getrimmten Eintagsfliegen sieht natürlich das gute alte „Mädchen für alles“ — Staatsorchester mit einer gewissen Eifersucht entgegen. Es wünschte, daß sein örtlicher Musikhumus mit den aktuellen Erfordernissen angereichert werde, um mit Erweiterungen und Höherstufung als moderner Apparat den Erfordernissen der Zeit in ähnlicher Weise gerecht zu werden. Bernhard Gölz, Konzertmeister im Philharmonischen Staatsorchester
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