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Anzeige? Fehlanzeige!

■ Wo bei der Plakatierung von Werbeflächen und bei Zeitungsanzeigen die Meinungsfreiheit endet

Wie eng die Grenzen der Meinungsfreiheit gesteckt sind, wenn es gegen die Interessen der Industrie und der Banken geht, mußten kürzlich wieder die Umweltschutzorganisation Robin Wood und die Deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) erfahren. So konnte eine Plakataktion von Robin Wood, die bei der Firma Deutsche Städtereklame, Frankfurt/M., in Auftrag gegeben wurde, nur in der zensierten Version durchgeführt werden. Die IPPNW hatten dagegen Schwierigkeiten, eine kritische Zeitungsanzeige zu schalten, die einer Anzeige der Bonner Atomlobbyisten vom „Informationskreis Kernenergie“ bis aufs Haar glich — natürlich nur grafisch.

Das Plakat von Robin Wood (Titel: „Im Dienste der Klimakatastrophe“), von dem im Bundesgebiet rund 2.500 Stück geklebt werden sollten, kritisiert die Blockade einer kommunalen, klimaverträglichen Energiewirtschaft durch die monopolistischen Energiekonzerne: Auf dem Bild zerdrückt eine riesengroße Hand eine Windenergieanlage. Gleichzeitig werden — als Wink mit dem Zaunpfahl für Bankkunden — die Namen, Funktionen und Firmen dreier Top-Industrieller genannt: F. Wilhelm Christians (Aufsichtsratsvorsitzender Deutsche Bank und RWE), Günter Vogelsang (Aufsichtsratsvorsitzender VEBA und Aufsichtsrat Deutsche Bank) und Heribald Närger (Aufsichtsratsvorsitzender Siemens, Aufsichtsrat Deutsche Bank).

Energie-Manager geschwärzt

Wie Henrik Paulitz aus der Fachgruppe Energie von Robin Wood der taz sagte, war die Firma Deutsche Städtreklame nach wochenlangem Briefverkehr mit Robin Wood nur dann bereit, die Plakate zu kleben, wenn die Namen und Funktionen der drei Manager geschwärzt würden. Die Firmennamen dürften hingegen bleiben. Die Sorge der Plakatierer war augenscheinlich, daß sich die mächtige Deutsche Bank mit ihnen anlegen könnte. Nicht zensiert zu werden brauchte ein zweites Robin- Wood-Plakat, daß die „Enteignung“ der Konzerne VEBA, Siemens und RWE fordert. In Berlin kam Robin Wood auch mit dem ersten Plakat durch. Die Firmen Jomiplak und Berek zeigten sich laut Henrik Paulitz ohne Murren bereit, die 2.000 Plakate ohne Schwärzung zu kleben.

Der Hamburger Anwalt von Robin Wood, Michael Günther, wies darauf hin, daß die Umweltschutzorganisation Greenpeace wegen ähnlicher Vorfälle noch in Berufungsverfahren vor den Oberlandesgerichten stecke. In dem einen Fall gehe es um das Plakat „Alle reden vom Klima — Wir ruinieren es“ aus dem Jahre 1990, in dem die Firmen Hoechst und Kali-Chemie erwähnt wurden. Der andere Fall betreffe eine auto- kritische Greenpeace-Broschüre, die 1991 anläßlich der Frankfurter Automobil-Ausstellung (IAA) in Abteilen von Bundesbahn-Zügen habe ausgelegt werden sollen. Die Bundesbahn-Werbetochter hatte sich geweigert, die Broschüre in den Zügen anzubieten, weil sie angeblich zur „Neutralität“ verpflichtet sei.

Auch die deutsche Sektion der Internationalen Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) mit bundesweit 10.000 Mitgliedern hat Ärger bei der Öffentlichkeitsarbeit. Eine neue IPPNW-Anzeige stellt Behauptungen aus Anzeigen der Atomindustrie richtig, daß das Krebsrisiko für Kinder, die in der Nähe von AKWs wohnen, angeblich nicht erhöht ist. Zeitungen wollen die Anzeige nicht drucken, weil sie grafisch genau einer Anzeige der AKW-Propagandisten aus Bonn entspricht. Grundlage der PR-Anzeige der Atomlobby ist eine Studie des Bundesumweltministeriums. Die Atomiker verschweigen jedoch die entscheidende Aussage, daß das Leukämie-Risiko für Kinder unter fünf Jahren im Umkreis von fünf Kilometer um AKWs dreifach erhöht ist.

Michael Roelen von der Pressestelle der IPPNW in Berlin teilte der taz mit, daß die täuschend echte Gegen-Anzeige zunächst weder in der 'Süddeutschen Zeitung‘ noch in der 'Zeit‘ noch in der 'Frankfurter Rundschau‘ erscheinen konnte. „Flüchtige LeserInnen“ könnten unter Umständen „irregeführt“ werden, so eine Begründung. Die Blätter beriefen sich auch auf das „Urheberrecht“, das selbst die grafische Gestaltung schütze oder auf „hausinterne Regelungen“.

Später zeigte sich die 'Frankfurter Rundschau‘ doch noch bereit, die IPPNW-Anzeige zu drucken. Sie erschien erstmals am 5.Mai. Allerdings war Voraussetzung, daß die Überschrift in einer anderen, glatteren Schriftart erschien, die sich von der Überschrift der Atomlobby-Anzeige unterschied. Zudem mußten sich die IPPNW laut Pressesprecher Michael Roelen bereiterklären, die 'Frankfurter Rundschau‘ von eventuellen Haftungsansprüchen „freizustellen“. Wie die taz erfuhr, läßt der „Informationskreis Kernenergie“ inzwischen rechtliche Schritte gegen die IPPNW-Anzeige prüfen. Hans-Hermann Kotte

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