Herr im Haus mit Harmoniebedürfnis

Der Gesamtmetall-Präsident Hans-Joachim Gottschol will in diesem Jahr die „tarifpolitische Wende“ durchsetzen/ Ein patriarchalischer Selfmademan und überzeugter Anhänger der Tarifautonomie  ■ Von Martin Kempe

Berlin (taz) — „Keine Probleme“, sagt Hans-Joachim Gottschol, als er über sein Verhältnis zu den Beschäftigten seiner sechs Werke befragt wird. „Keine Probleme“ sagt er auch bei der Frage nach seinen bisherigen Eindrücken an der Spitze des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, dem er nun seit rund einem halben Jahr vorsteht. Hans-Joachim Gottschol, der Kontrahent des IG-Metall-Vorsitzenden Steinkühler bei der diesjährigen Tarifrunde, gibt sich gern als dynamischer Macher, als „Anreißer“, wie seine Tochter Gabriele Gottschol-Baasner ihn charakterisiert. Probleme sind dazu da, überwunden zu werden. So hält es der 64jährige Westfale, seit er 1945 aus amerikanischer Kriegsgefangenschaft zurückgekehrt ist und sich von den 50er Jahren an vom kleinen Selbständigen bis zum größten europäischen Verarbeiter von Gebrauchtaluminium hochgearbeitet hat.

Rund 800 Menschen beschäftigt er inzwischen in seinen sechs Werken in Nordrhein-Westfalen, in Belgien, Luxemburg und Berlin. Er vermutet, daß die meisten von ihnen gewerkschaftlich organisiert sind. Ob er nun, nach seiner Amtsübernahme als höchster Funktionär der Arbeitgeber, zusätzliche Konflikte mit den Beschäftigten oder dem Betriebsrat erwartet? „Wenn, dann nur von außen“, winkt er ab. Seine Leute, sagt er, „sind vernünftig“. Gottschol wehrt sich nicht dagegen, als „patriarchalischer“ Unternehmer bezeichnet zu werden.

Erfindungsreicher „Hüttenmann“

Solange klar ist, wer Herr im Hause Gottschol ist, liebt er es, seine Verhältnisse in Harmonie zu ordnen: mit seinem Bruder, der mit ihm zusammen als gleichberechtigter Teilhaber das inzwischen ansehnliche Gottschol-Imperium leitet, mit seiner Tochter, die als einziges seiner Kinder in die Firma eingestiegen ist und nun als wichtigste Vertrauensperson seine vielfältigen Aktivitäten als Unternehmer und Verbandsfunktionär koordiniert. Und auch mit dem schwäbischen Unternehmer Dieter Hundt, dem bei Freund und Feind hoch angesehenen Gesamtmetall- Vorsitzenden von Baden-Württemberg, der vor der Wahl als Konkurrent um die Gesamtmetall-Spitze gehandelt wurde und dann doch nicht antrat, fühlt Gottschol sich „freundschaftlich verbunden“.

Der Selfmademan Gottschol hat seinen Aufstieg in den frühen Jahren der Bundesrepublik gemacht. Beim Gang durch seinen Betrieb in Nachrodt bei Hagen schwelgt der promovierte „Hüttenmann“ an den Schmelzöfen und Kühlanlagen in technischen Details, läßt beiläufig, aber nicht ohne verhaltenen Stolz fallen, er habe seinen ökonomischen Erfolg durch ein „paar Erfindungen“ beschleunigt. Die Aussichten sind nicht schlecht, daß Gottschol, der sich trotz seiner überaus günstigen Position auf dem europäischen Aluminium-Markt als mittelständischer Unternehmer sieht, seinen Aufstieg fortsetzen kann. Das leichte, rostfreie Aluminium, meint er, sei das „Metall der Zukunft“. Schon beginnen die ersten Autofirmen damit, Karosserien nur aus Aluminium herzustellen. Und schließlich sei es sogar noch ökologisch, denn es könne zu fast hundert Prozent aus dem Altmaterial wiedergewonnen werden. Immer mehr Rohstoff kommt aus den Recycling-Kreisläufen, immer mehr also von Hans-Joachim Gottschol. Über sein nächstes Projekt will er noch nichts erzählen, damit die Konkurrenz nicht aufgeweckt wird: „Die brauchen ihren Schlaf doch auch“, meint er.

Hält sich fit durch Rollentausch

Auch politisch ist Gottschol ein Kind der 50er Jahre. Schon früh engagierte er sich im regionalen Verband der Jungunternehmer, diskutierte mit Thomas Dehler und Walter Scheel über soziale Marktwirtschaft. Die Studentenrevolte Ende der 60er Jahre faßte er als Herausforderung zum gesellschaftspolitischen Engagement auf und trat mit anderen Unternehmern zusammen in den CDU- Ortsverband Hagen ein. Dessen Vorsitzender war zunächst gar nicht so begeistert über die plötzliche Unternehmerschwemme in seinem Verein. Bei Gesamtmetall organisierte Gottschol gemeinsame Seminare von Unternehmern und Betriebsräten, in denen gegenseitiges Verständnis durch gespielten Rollentausch geübt wurde. Gottschol ist ein überzeugter Anhänger des bestehenden Systems der Tarifautonomie, auch wenn ihm die Welt der Gewerkschaften sichtlich fremd ist.

Nach seiner Wahl zum Präsidenten von Gesamtmetall kündigte Gottschol an, er wolle eine „tarifpolitische Wende“ durchsetzen. Das trug ihm den Ruf als „scharfer Hund vom Ennepetal“ ein, der auf Biegen und Brechen den Konflikt mit den Gewerkschaften suchte. Er selbst weist dies weit von sich: Er stehe zur bisherigen Tarifpolitik seines Verbandes. Das Wort von der Wende will er vor allem auf den Tarifabschluß des letzten Jahres bezogen wissen, den viele Unternehmen, insbesondere die mittelständischen Zulieferbetriebe der Autoindustrie, bis heute noch nicht verkraftet hätten. Ansonsten aber solle es bei dem bewährten System der Tarifautonomie bleiben. „Damit habe ich keine Probleme“, meint er.