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Keine Übergangsregierung in Sicht

Verhandlungen über eine demokratische Verfassung Südafrikas sind festgefahren/ Neue Gesprächsstruktur soll Fortschritte ermöglichen/ Pessimismus überwiegt  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

Trotz versöhnlicher Reden von Präsident Frederick de Klerk und Nelson Mandela, dem Präsidenten des Afrikanischen Nationalkongresses (ANC), bleibt der Verhandlungsprozeß über eine demokratische Verfassung für Südafrika festgefahren.

Die zweite Vollversammlung des „Konvents für ein demokratisches Südafrika“ (Codesa) endete am Samstag lediglich mit dem Beschluß, die Gespräche zu straffen und zu beschleunigen. Kern der Differenzen ist der Versuch der Regierung, in einer zukünftigen verfassungsgebenden Versammlung eine Sperrminorität für „Minderheiten“ durchzusetzen.

Der Disput über den Einfluß von Minderheiten kristallisierte sich in der Frage, mit welchen Mehrheiten eine verfassungsgebende Versammlung ein neues Grundgesetz verabschieden soll. Die Regierung forderte entweder ein Veto für eine obere Kammer der Versammlung, den Senat, der aus Vertretern regionaler Parteien zusammengesetzt werden soll.

Sollte es keinen Senat geben, fordert die Regierung eine Mehrheit von 75Prozent für die Zustimmung zu zentralen Teilen einer demokratischen Verfassung.

Beide Vorschläge wurden von Beobachtern als Versuche interpretiert, den Einfluß der Weißen und regionaler Gruppierungen, wie der ANC- feindlichen Zulupartei Inkatha, zu vergrößern. Der ANC ist nicht bereit, das zu akzeptieren. Er lehnt einen Senat vollkommen ab und ist nur bereit, eine 70prozentige Mehrheit für die Zustimmung zur Verfassung zu akzeptieren.

Nach dem ersten Tag der Codesa- Sitzung am Freitag war ein Zusammenbruch der Verhandlungen abzusehen. Beide Seiten hatten sich in der Öffentlichkeit schwere Vorwürfe gemacht. Dann trafen sich de Klerk und Mandela und betonten, daß die Gespräche dringend fortgesetzt werden müßten. Um sie noch zu beschleunigen, wurde beschlossen, die bisherigen fünf Arbeitsgruppen, die sich um Aspekte eines übergangs kümmerten, zu suspendieren. Die Arbeit an noch offenen Fragen soll jetzt von dem kleineren Codesa Management-Komitee übernommen werden. Eine dritte Vollversammlung vor Ende Juni wird in Aussicht gestellt.

Bis zu Einigung über eine verfassungsgebende Versammlung bleiben allerdings alle anderen bisher erzielten Abkommen außer Kraft. Dabei gibt es in einer Reihe von entscheidenden Punkten, von der Kontrolle der Sicherheitskräfte und der elektronischen Medien in der Übergangszeit, bis zur Struktur einer ersten, nicht gewählten Übergangsregierung, schon Übereinstimmung.

Wann eine erste Übergangsregierung die Macht antreten könnte, bleibt ganz offen. Das derzeitige Parlament, das die dafür notwendige Gesetzesgrundlage verabschieden muß, geht Mitte Juni in Urlaub. Es ist unwahrscheinlich, daß in nur vier Wochen die Fülle der noch zu klärenden Details zu bewältigen sein wird.

Die meisten Beobachter meinen, daß die Regierung jetzt, da eine Teilung ihrer Macht mit der schwarzen Mehrheit unmittelbar bevorsteht, vor diesem Schritt zurückschreckt. Der Reformprozeß selbst hat schon zahlreiche Erfolge erzielt, von der internationalen Akzeptanz de Klerks bis zur Aufhebung fast aller Sanktionen. Der Druck auf die Regierung, eine Einigung zu erzielen, hat deutlich nachgelassen.

Andererseits haben die Enthüllungen der letzten Wochen die moralische Position der Regierung in Frage gestellt. Der Afrikanische Nationalkongreß wird versuchen, mit landesweiten Protesten unter Verweis auf Korruptions- und Mordskandale die Regierung de Klerk weiter zu diskreditieren.

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