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Sinnlose Kunst

■ Oliver Czeslik stellt auf dem Stückemarkt des Theatertreffens seinen »Cravan« vor

Wer einen dichtenden Preisboxer auf einem heruntergekommenen Luxusdampfer im Disput mit einem russischen Revolutionär erfände, würde von der bösen, bösen Theaterkritik sicher als stückwerkelnder Scharlatan abgetan. Wer eine solche Begegnung aber als historische Tatsache belegen kann — und der junge Oliver Czeslik kann das —, der wird, wie man am Sonntag in der Freien Volksbühne erleben konnte, zum Stückemarkt des Theatertreffens gebeten.

Artur Cravan, die Hauptperson des gleichnamigen Stückes von Oliver Czeslik, wurde Anfang dieses Jahrhunderts zu einer Boxerlegende, weil er nicht nur seinen Gegnern ordentlich die Nasen blutig schlagen konnte, sondern nebenher auch ein brauchbarer Poet war (und zudem ein Neffe des Oscar Wilde). Im Jahre 1916 fuhr Cravan mit dem abgehalfterten Dampfer »Monserat« von Barcelona nach New York, um dem Kriegsdienst in Europa zu entgehen. Einer seiner Mitreisenden hieß Leo Dawidowitsch Bronstein, genannt Trotzki. So weit die Historie, so weit die Vorgeschichte zu Cravan.

Oliver Czeslik bedient sich dieser übrigens wirklich verbrieften Begegnung auf höchst verwickelte Weise: Auf der Ozeanfahrt nach Amerika wird Artur Cravan in Czesliks Stück das wehrlose Opfer einer politischen Intrige, Teilnehmer an einigen erotischen Verstrickungen und in deren Folge Zeuge diverser Erpressungen. Nach einem langen unfreiwilligen Aufenthalt im Viehkäfig wird der Boxchampion kurz vor Ende der Reise an einem hölzernen Kreuz an den Mastbaum gebunden, während die Freiheitsstatue vor der New Yorker Skyline schon konturiert zu erkennen ist. Drahtzieherin dieser leidvollen Affäre des Monsieur Cravan ist eine gewisse Marie von Valdorf, von der wir zwar erfahren, daß sie unter Pseudonym reist, nicht aber, ob sie nun wirklich als russische Agentin den Auftrag hatte, Leo Trotzki zu ermorden. Hin und wieder mischt sich in die turbulenten Ereignisse ein lüsterner Maler ein, erheitert das Publikum in der Freien Volksbühne, das der Lesung willig lauschte, mit seinen unpassenden Bemerkungen und stellt, wann immer es geht, der Geliebten Cravans nach.

Oliver Czeslik, dessen Zeitstück Heilige Kühe vor kurzem auf der Probebühne der Schaubühne Premiere hatte, wurde 1964 in Hamburg geboren, studierte Theaterwissenschaft, Germanistik und Philosophie in München. Schon während seines Studiums hat er diverse Theaterstücke verfaßt, einige davon wurden ohne nennenswerten Erfolg in der Münchner Off-Szene aufgeführt. Cravan ist nach den Heiligen Kühen sein zweiter dramatischer Versuch, der eine größere Öffentlichkeit erreichte.

Es war ein kurzweiliger Nachmittag in der Kassenhalle der Volksbühne. Aber auch bei diesem im Rahmen des Stückemarkts vorgestellten Drama fragt man sich, wozu es letztlich eigentlich geschrieben wurde. Denn auf unangenehme Art ist Cravan von allem ein bißchen: ein bißchen komisch, ein bißchen spannend, ein wenig lüstern. Etwas revolutionskritisch und eine Spur gotteslästerlich.

Vor allem aber ist es beliebig. »Hat der Künstler etwas zu sagen?« fragt der Kapitän in Cravan den unter Mordverdacht stehenden Boxerpoeten. »Die Kunst schweigt«, antwortet der, und Trotzki setzt nach: »Ich würde es so sagen: Die Kunst hat nichts zu sagen.« Wie recht der Mann in diesem Falle hat. Klaudia Brunst

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