: Kosovo: Serben sammeln Wahlurnen
■ Nach einem ruhigen Wahlauftakt behindern serbische Polizisten die Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in Kosovo/ USA schließen „militärisches Vorgehen“ gegen Serbien nicht aus
Pristina/Lissabon (ap/taz) — Die Verhaftung des Vorsitzenden der Wahlkommission in Pristina und Studencan, die Beschlagnahmung von Wahlunterlagen, Wahlurnen und albanischen Flaggen — das sind die Begleiterscheinungen der „geheimen“ Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der ehemals autonomen südserbischen Provinz Kosovo. Doch dieses Vorgehen der martialisch ausgerüsteten serbischen Polizisten war erwartet worden: Bereits im Vorfeld der Untergrund- Wahlen, die in Privatwohnungen, Geschäften und auch unter freiem Himmel stattfanden, hatten serbische Politiker diese als „verfassungswidrig und illegal“ bezeichnet. In Kosovos Hauptstadt Pristina und auch in der Hauptstadt Albaniens, Tirana, war sogar befürchtet worden, daß durch die Wahlen in der Region ein offener Krieg zwischen Serben und Albanern ausbrechen könnte.
Das Parlament der mehrheitlich von Albanern bewohnten Provinz war von Serbien vor zwei Jahren gewaltsam aufgelöst worden. Nun wollen die Kosovo-Albaner mit der Wahl ein neues, eigenständiges Parlament mit 130 Sitzen sowie einen Präsidenten bestimmen. In diesem Paralemnt wurden jedoch auch zehn Prozent der Sitze für die in Kosovo lebende serbische Minderheit reserviert.
Außerdem streben die Albaner ihre Unabhängigkeit von Serbien und langfristig eine Vereinigung mit dem benachbarten Albanien an. Die von den Kosovo-Albanern ausgerufene „Republik Kosovo“ wurde bisher nur von Albanien anerkannt.
Anerkennung der „Republik Kosovo“
Der einzige Präsidentschaftskandidat und Vorsitzende der demokratischen Liga Kosovos, Ibrahim Rugova, wurde bei seiner Stimmabgabe in Kosovos Hauptstadt Pristina von mehreren hundert Menschen mit Applaus begrüßt.
Dabei betonte Rugova, daß die „Politik des friedlichen Widerstands“ fortgesetzt werden müsse, um eine Lösung für die albanische Mehrheit und die in Kosovo lebenden Serben zu finden. Bei einer anschließenden Pressekonferenz forderte der Schriftsteller die EG auf, die Wahl und die Unabhängigkeit Kosovos anzuerkennen. Die Zeitung der sozialistischen Regierung Serbiens in Kosovo, 'Jedinstvo‘, nannte die Wahl dagegen einen weiteren Versuch albanischer Separatisten, Blutvergießen zu provozieren.
Trotz der Behinderung der Wahlen war die Wahlbeteiligung nach ersten Meldungen hoch. In Pristina hatten nach Angaben von Wahlvorständen drei Stunden nach Öffnung der Wahllokale bereits 50 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimmen abgegeben.
Während am Sonntag der Abzug der jugoslawischen Armee aus Sarajevo erneut von serbischen Freischärlern verzögert wurde und die Kämpfe an fast allen Fronten weitergingen, konnten die Außenminister der EG sich bei ihren Beratungen in Lissabon nicht auf konkrete Sanktionen gegen Serbien einigen. Angekündigt wurde lediglich eine EG- Hilfe von 120 Millionen Mark für die inzwischen rund 1,2 Millionen Jugoslawien-Flüchtlinge.
Beratungen der EG ohne konkrete Ergebnisse
Für ein entschiedeneres Vorgehen gegen die „serbische Aggressionspolitik“ hatten sich bereits am Freitag US-Außenminister James Baker und Großbritanniens Außenminister Douglas Hurd ausgesprochen. Dabei hatten sie auch ein „militärisches Vorgehen“ nicht ausgeschlossen, nach Ansichts Hurds ist jedoch eine Waffenruhe in Bosnien-Herzegowina die Voraussetzung für die Entsendung einer Friedenssicherungstruppe.
Baker teilte die Schließung der jugoslawischen Konsulate in New York und San Francisco sowie den Abzug aller Diplomaten aus der amerikanischen Botschaft in Belgrad an.
Außerdem brechen die USA alle Kontakte zur Bundesarmee ab, dem aus Serbien und Montenegro neugebildeten Jugoslawien wollen sie die Anerkennung so lange versagen, bis dessen Streitkräfte vollständig aus den Nachbarrepubliken abgezogen sind und der Schutz von Minderheiten garantiert wird.
Der bundesdeutsche Außenminister Klaus Kinkel bedauerte, daß in Lissabon keine Entscheidung der EG über weitere Sanktionen möglich war. Sein Vorschlag, gegen Serbien ein Ölembargo zu verhängen, scheiterte an der Haltung Griechenlands, das sich ebenso wie Frankreich bei den Beratungen in Lissabon als Bremser erwies. Als Grund nannte Athen die „finanziellen Folgen“, denn die Hauptpipeline für Belgrad würde gerade im Hafen von Saloniki „gekappt“ werden. Unterstützung erhielt Kinkel dagegen von Rußland.
Trotz seiner „freundschaftlichen Beziehungen“ zu Belgrad sei Moskau bereit, Druck auf die serbische Führung auszuüben.
Das UNO-Hochkommissariat (UNHCR) in Genf hat sich nach eigenen Angaben nun doch zur vorläufigen Einstellung seiner Arbeit in Bosnien entschieden. Die noch außerhalb von Sarajevo stationierten Mitarbeiter sollen abgezogen werden. Zuvor waren 13 UNHRC-Lastwagen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten entwendet worden, die für die notleidende Bevölkerung bestimmt waren.
Im Krieg in Bosnien sind seit der Volksabstimmung für die Unabhängigkeit am 29. Februar bisher mindestens 2.200 Menschen ums Leben gekommen, 7.600 wurden verwundet. her
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