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Gescheites Scheitern

■ George Tabori bekommt den Büchner-Preis

George Tabori hält sich zur Zeit in Berlin auf. Dort feierte er am Sonntag seinen 78sten Geburtstag, dort feierte man ihn und seine Inszenierung der „Goldberg Variationen“ vom Wiener Akademietheater, die zum diesjährigen Theatertreffen eingeladen wurde und an diesem Wochenende in der Freien Volksbühne gastierte. „Scheitern, immer scheitern, wieder scheitern, besser scheitern“, meint Goldberg gleich zu Anfang in dem Stück zu dem ebenso allmächtigen wie ohnmächtigen Regisseur Mr. Jay, der eine Show über das Alte Testament zusammenstellen soll. „Das hab ich bei Beckett geklaut“, gesteht George Tabori am Morgen der Berliner Aufführung bei einer Diskussion. „Auch in der Bibel ist von Anfang an alles schief gegangen. Selbst Gott ist nicht immer Gott.“ Und dann entfaltet Tabori seine Vision einer niemals perfekten Welt, die zugleich seine Theatervision ist; das Streben nach Perfektion ist dem Theatermann nicht geheuer.

Das ist eine Lebenshaltung, verbunden mit dem Mut zum Risiko, die seine Inszenierungen Theatergeschichte schreiben und ihn ebenso mal einen schlechten Griff tun ließen. Immerhin, im Theater funktioniert die Welt etwas besser als im sonstigen Leben und dem Rest der Welt. Da wird manchmal selbst immer (besser) währendes Scheitern belohnt. George Tabori wurde Ende der vergangenen Woche der angesehene Büchner-Preis 1992 von der Akademie für Sprache und Dichtung zugesprochen. Büchner hat Tabori nie inszeniert, aber Shakespeare - und eben Tabori. Gefragt nach dem autobiographischen Anteil in den „Goldberg Variationen“ äußert der Autor und Regisseur lakonisch: „Ich habe keine Erfahrung als Gott oder sein Assistent.“ Die immer wieder auftauchenden Warum-Fragen des Publikums im übervollen Spiegelzelt neben der Freien Volksbühne wehrt er ab. „Theater hat mit Erklärungen nichts zu tun, sondern mit Erfahrung“. Der nach Amerika emigrierte Ungar Tabori, der erst in den 60er Jahren sich ins Nachkriegsdeutschland aufmachte, hat andere, weniger göttliche Erfahrungen gemacht. Ein Regiegott ist dieser Schauspieler-Regisseur außerdem bestimmt nie gewesen. Seit Jahren arbeitet er mit einem festen Kreis an Schauspielern, zu dem auch Gert Voss, Ignaz Kirchner und Ursula Höpfner zählen, die in den „Goldberg Variationen“ die Hauptrollen spielen.

Ob er denn für ein Gastspiel in Israel das Stück nochmal umschreiben würde, will einer aus dem Publikum wissen. Tabori versteht die Frage zunächst gar nicht (das Hörgerät hat er außerdem vergessen). In Amerika gebe es die sogenannte „p.c.“-Bewegung, hält er, der sich noch immer im Angloamerikanischen zuhause fühlt, schließlich dagegen. P.c. steht für „politically correct“, eine propagierte Form der (Selbst-)Konrolle, die jede Form des Sexismus, Rassismus usw. in Schrift und Bild verpönt. „Das hat mit Literatur und Kunst nichts zu tun“, empört sich Tabori, „da muß man inkorrekt sein. Sonst schreibt man für die Zensur.“ Da klingt sie wieder durch, seine Vision der Nicht-Perfektion, auch als politische Haltung.

In George Taboris „Betrachtungen über das Feigenblatt“ heißt es: „Die erste Instanz, die Zensur und Unterdrückung übte, war der Garten Eden. Ein eifersüchtiger Gott arangiert das perfekte Schäferstündchen, nur um es dann abzubrechen und zu verlangen, daß wir die Lust der Tugend opfern - soll Ignoranz doch über Erkenntnis triumphieren -, und so erfand er das Feigenblatt.“ Auch in den „Goldberg Variationen“ existiert ein solches, das dem Darsteller im Adamskostüm jedoch nicht paßt. Es ist einfach zu klein. Sabine Seifert

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