Am Ende der Geduld

■ In Südafrika bahnt sich die endgültige Machtprobe zwischen Regierung und ANC an

Am Ende der Geduld In Südafrika bahnt sich die endgültige Machtprobe zwischen Regierung und ANC an

Was sich derzeit in Südafrika anbahnt, ist die endgültige Konfrontation zwischen Regierung und Opposition. Nach mehr als zwei Jahren des Tauziehens seit der Legalisierung des ANC Anfang 1990 steht für die weiße Minderheitsregierung jetzt die Realität einer Machtaufgabe unmittelbar bevor. Und davor haben Präsident Frederik de Klerk und seine Kabinettskollegen offenbar immer noch große Angst. Bisher war der schwierige Verhandlungsprozeß trotz einiger Unterbrechungen glatt verlaufen. Das lag vor allem auch daran, daß sich der ANC kompromißbereiter zeigte: der ANC suspendierte den bewaffneten Kampf; er ließ seine Vorbedingungen für substantielle Verhandlungen, beispielsweise die Freilassung aller politischen Gefangenen, fallen; in vielen Detailfragen einer neuen Verfassung ging der ANC auf Regierungsforderungen ein. Auch die Bereitschaft des ANC, in den letzten Monaten auf Straßendemonstrationen zu verzichten, war ein Zugeständnis.

Zuletzt war der ANC bereit, eine neue Verfassung von 70 Prozent der Abgeordneten in einer verfassunggebenden Versammlung verabschieden zu lassen — von mehr als der Zweidrittelmehrheit, die der ANC für angemessen hielt. Die Regierung schielte derweil auf die jüngsten Umfragen, die ihr etwa 25 Prozent der Stimmen in einer freien Wahl voraussagten. Sie forderte eine Dreiviertelmehrheit. Für viele einfache ANC-Mitglieder hatte es den Anschein, als ob ihre Führer von der Regierung in Verhandlungen über den Tisch gezogen worden waren. Monatelang wurde verhandelt, aber für schwarze Township-Bewohner spürbare Ergebnisse gab es nicht. Statt dessen dauern politische Gewalttaten an, und die Auffassung, daß die Sicherheitskräfte kein Interesse an einem Ende der Gewalt haben, ist weit verbreitet. Der Versuch der Regierung, für Weiße eine Sperrminorität in einer neuen Verfassung durchzusetzen, hat die Wut gegen das Regime zusätzlich angefacht. Das Ultimatum des ANC ist da für viele geradezu befreiend. Die vom ANC geplanten Massendemonstrationen werden ein Ventil für die Wut in der schwarzen Bevölkerung sein.

De Klerk muß den Reformprozeß zu Ende bringen. Dazu ist er auf den ANC angewiesen. Und der ANC wird in Zukunft viel weniger nachgiebig sein als bisher. Statt die Regierung durch Konzessionen zur Übergabe der Macht zu locken, wird der ANC das Regime ab heute dazu zwingen. Hans Brandt, Johannesburg