: Amtmänner im digitalen Abseits
■ Neue Anlage macht Telefonieren komplizierter, damit es einfach werden kann
Bremens Amtmänner und -frauen sind kaum noch wiederzufinden. Zwar steht ihr Schreibtisch noch am gewohnten Ort und obendrauf prangt — direkter Draht zur Außenwelt — das Beöhrdentelefon. Bloß die Nummern, die es bimmeln lassen, sind derzeit geheim wie der Inhalt von Finanzamts- Aktendeckeln. Seit am Tag vor Himmelfahrt, Punkt 15 Uhr, ein Gutteil der weit über 10.000 Bremer Amtstelefone an die lange Leitung der neuen digitalen Behördenvermittlungsanlage gelegt wurden, irrlichtern täglich tausende Anrufe orientierungslos durch das Amtsnetz, landen statt im Landgericht beim Staatsorchester, statt in der Landeshauptkasse im Standesamt — oder einfach in der digitalen Wüste: Kein Anschluß unter dieser Durchwahlnummer.
Dabei ist jetzt alles nur deshalb komplizierter, damit es später einmal einfacher wird. Sind nämlich Bremens Behörden heute noch in fünf verschiedene Telefonzentralen aufgeteilt, sollen sie künftig unter das Dach einer einzigen zentralen Vermittlung kommen — mit unbegrenzten Möglichkeiten zum Weiterverbinden quer durch die Stadt von Amtstelefon zu Amtstelefon. Und nicht nur das: Die neue Technik erlaubt sogar die Weiterleitung von Anrufen auf den Apparat einer hilfsbereiten Kollegin, den automatischen Rückruf bei einem Anfrufer, der immer nur das Besetz-Tuten zu hören bekam, die Speicherung von Kurzwahlnummern oder das freie Faxen zwischen Ämtern. Vorbei ist dann die Zeit, in der es hieß: „Ach so, sie kommen über Amt. Dann kann ich Sie aber leider nicht weiterverbinden...“
Tatsächlich könnte die neue amtliche Telefontechnik sogar noch mehr Verbindung schaffen. Doch dem hat der in Bremen „allzuständige“ Gesamtpersonalrat zunächst den Riegel einer Dienstvereinbarung vorgelegt. Ist einmal nicht nur der Behördenanschluß frei, sondern auch der Arbeitsplatz an seiner Seite, wird auch künftig kein Anrufbeantworter die Bitte um Rückruf entgegennehmen dürfen. „Anrufbeantworter sind ein Unwesen“, meint Gesamtpersonalrat Dieter Stratmann, „der öffentliche Dienst muß persönlich erreichbar sein.“ Und falls der Amtmann mal muß, muß der Anrufer eben auch — nochmal anrufen. Wofür gibt es schließlich die automatische Wahlwiederholung?
Trotz Zentralvermittlung, Anrufweiterleitung und „Rückruf im Besetztfall“ ist die neue, millionenschwere High-Tech-Telefonanlage so klein, daß in dem Raum des Fernmeldetechnischen Amtes an der Weide, der 20 Jahre lang von den Kabeln und Relais der Altanlage ausgefüllt wurde, künftig auch noch acht Arbeitsplätze Platz finden werden. Dort sollen Telefonistinnen, ausgestattet mit einem „elektronischen Behördentelefonbuch“, für gute Verbindung der Außenwelt in die Bremer Bürokratie hinein sorgen. Spätestens dann wird auch beim letzten — jetzt erstmal ins kommunikative Abseits verdrahtete — Bremer Amtmann das Telefon wieder munter klingeln. Ase
Ab 1994 sollen alle Bremer Behördentelefonnummern mit 361 beginnen und über die Zentrale 361-0 erreichbar sein — nur Krankenhäuser, Universität, Innensenator und Polizei bleiben außen vor. Im ersten Schritt wurden deshalb viele der bisherigen 361-Nummern verändert. Im Herbst sollen alle 397-Nummern (Bremer Westen) folgen.
Auskunft über alle Veränderungen gibt eine Neuauflage des Behörden-Telefonbuchs, das noch im Juni erscheinen soll.
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