: VEB-Beton zu blumigen Planschbecken
■ Wo das Stadtbild zu wünschen übrigläßt (Folge 17): Gutachten zum Leninplatz lassen Raum ungenutzt
Den anderen Namen, nämlich »Platz der Vereinten Nationen«, trägt der alte »Leninplatz« bereits auf neuen Straßenschildern zur Schau. Auch der Ort ist nicht mehr der gleiche wie früher, selbst wenn bis jetzt noch keine Neubauten stehen. Die große Platzanlage nach einem Entwurf Hermann Henselmanns mit kurvigen Wohnscheiben, Hochhäusern und einer überdimensionalen Mitte — auf der einst eine Bibliothek geplant war — hat ihren räumlichen und ideologischen Schwerpunkt verloren. Die Bebauung erscheint mehr denn je als Kulisse. Eine maßstablose Leere im Verein mit staubigem Sommerwind weht über das Viertel am Friedrichshainer Volkspark.
Postleninistische Ära mit Blumenrabatten
Immerhin, für den »Platz der Vereinten Nationen« scheint so langsam eine postleninistische Ära in Sicht, wurden doch von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung drei Gutachten zur Umgestaltung des Ortes in Auftrag gegeben — die im Resultat teilweise so grotesk ausschauen wie die erst kürzlich überstandene Namensumbenennung. Es scheint, als sollte der einstige Leninplatz nun erst recht geschliffen werden.
Statt mit rotem Granit und VEB- Beton wird er auf dem Papier nun weltmaßstäblich mit Türmchen und Törchen, Planschbecken und Blumenrabatten, Multi-Kulti- Prospekten und Laser-Licht inszeniert. Statt »ratloser Leere« und »monofunktionaler Einöde« werden »attraktive Straßenräume« erfunden. Statt »sozialistischem Städtebau« mutiert der Ort zu einer »Piazza« mit Büros und Medien- Shops.
Doch wie? Die Wohnscheiben werden versteckt, aus HO ist Hertie geworden, und auf den Leninsockel kommt ein Rathaus oder ähnliches.
Banale Entwürfe für Hochhäuser
Der Banalität der Bebauung stehen also die Entwürfe in nichts nach. Erstaunlich allerdings ist, daß in den Modellen die häßlichen Hochhäuser nicht (geistig) weggesprengt wurden, obwohl sie doch der Stachel dort sind. Schon Henselmann plante eine andere Form. Die sieben Turm-Treppen wurden bei der Realisierung auf drei kastriert, aus deren grauen Schatten man möglichst schnell verschwinden möchte.
So bleibt der mögliche Umbau bislang nur Dekoration, die zugibt, daß man mit weiten Straßenräumen wenig oder gar nichts anzufangen weiß. Die Chiffren für »Vereinte Nationen« erschöpfen sich baulich in Leerformeln. Da wiegen selbst die Vorteile der Entwürfe verhältnismäßig wenig: der Erhalt der Grün- und Sichtverbindung zum Strausberger Platz oder die Öffnung der Friedenstraße.
Land unter für schaukelnde Boote
Ein Zusatzgutachten, erstellt von Studenten der Hochschule Weißensee, kommentiert den geplanten Umbau vorerst noch als Traum — abgeguckt von Einar Schleefs Geschichte »Untergang des Leninplatzes«. Sie legten den Platz unter Wasser und errichteten Stege und Landungsbrücken. »Langsam versackten die Fundamente«, steht dort, »das Boot schaukelte in den Wellen.« Rolf R. Lautenschläger
Die Entwürfe sind noch bis Mitte Juni im Ausstellungszentrum am Frankfurter Tor (U-Bahnhof Rathaus Friedrichshain) zu sehen.
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