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Der Regierende ist nicht in Form

■ SPD lehnt Diepgens Forderung zur Bezirksbürgermeisterwahl ab/ Kritik aus SPD und CDU an seiner Person/ CDU-Sonderparteitag zum Wahldebakel

Berlin. Zum Ende der Sitzung des Koalitionsausschusses nahm der Regierende Bürgermeister Anleihe bei einem historischen Vorbild. Der Oberbürgermeister, so zitierte Eberhard Diepgen seinen Vorgänger Ernst Reuter, wird für die Einheitlichkeit der Willensbildung und für die Beschleunigung des Verwaltungshandelns sorgen. Die Bekundung klang wie das Pfeifen im dunklen Wald. Denn daß ihm genau diese Fähigkeiten abhanden gekommen sind, wird Diepgen von seinem Koalitionspartner, aber auch in der eigenen Partei vorgehalten. Und die Ergebnisse des Koalitionsausschusses, deren Präsentation Diepgen am Mittwoch abend mit dem Reuter-Zitat einleitete, waren nicht dazu angetan, sein ramponiertes Image aufzubügeln. »Im Geiste fairer Partnerschaft«, so referierte er das Resultat, sollen SPD und CDU in den Bezirken zusammenarbeiten. Doch die Entscheidung über Koalitionen, so präzisierte SPD-Vorsitzender Walter Momper, »fällt nach den örtlichen Gegebenheiten der Bezirke«. Damit war deutlich, daß die SPD dem Wunsch des CDU-Chefs nach einem wechselseitigen Zuschanzen der Bürgermeisterposten eine erneute Absage erteilt hatte.

Diese Forderung hatte Diepgen bereits einen Tag nach dem Wahldebakel seiner Partei erhoben und zugleich den Koalitionsausschuß einberufen. Doch schon eine Stunde später hatte Momper vor der Presse die Erfüllung der Forderung eindeutig abgelehnt. Damit war Diepgens Niederlage im koalitionsinternen Gerangel vorprogrammiert. Diese Blöße konnte am Mittwoch abend auch nicht dadurch überdeckt werden, daß die Spitzen von SPD und CDU bekräftigten, ihr gemeinsames Mammutvorhaben Verwaltungsreform voranzutreiben. Die Koalitionsführer wollen bis zur Sommerpause »Eckwerte« festlegen, deren Umsetzung externe Experten ausarbeiten sollen. Dieser Beschluß trägt die Handschrift von SPD-Fraktionschef Ditmar Staffelt. Damit ist dem zuständigen Innensenator Dieter Heckelmann (CDU) die Federführung aus der Hand genommen.

Bereits in den Tagen vor der Koalitionsrunde war Diepgens Ansehen als Regierungschef angeknackst. Die Ergebnisse der Föderalismuskommission waren von ihm am Dienstag und nochmals gestern im Abgeordnetenhaus heftig kritisiert worden. Er verlangte Nachbesserungen zugunsten Berlins. Allerdings hatte Bundessenator Peter Radunski in der entscheidenden Sitzung der Föderalismuskommission letzte Woche mit Diepgens Einverständnis seine Zustimmung zu den Verhandlungsergebnissen gegeben. Dieses schlingernde Vorgehen stieß nicht nur bei Ditmar Staffelt auf Unverständnis. Dieser wünschte sich denn auch, daß der Diepgen »mehr Elan und mehr Durchsetzungsvermögen an den Tag legte«. Dies sei im Moment nicht in der Form sichtbar, »wie wir uns das wünschen«.

Auch in der CDU schwelt der Unmut über den Vorsitzenden. In der letzten Woche hatten der Kreisverband Wilmersdorf, die Junge Union und der Bundestagsabgeordnete Heinrich Lummer wegen des Wahlergebnisses einen Sonderparteitag gefordert. Dort soll, nach dem Willen der Initiatoren, über eine Trennung der Posten des Parteivorsitzenden und des Regierungschefs befunden werden. Noch am Tag nach der Bezirkswahl hatte Diepgen das von sich gewiesen, ebenso Generalsekretär Karl-Joachim Kierey. Am Mittwoch wurden der Vorsitzende und sein General von ihren Parteifürsten eines Besseren belehrt. In einer Runde der Kreisvorstände wurde die Stimmungslage der Partei ausgelotet. Ergebnis: Im Frühherbst wird ein Sonderparteitag stattfinden. Dort soll allerdings, so will es Kierey, Wahlanalyse betrieben werden und der Parteivorsitzende nicht zur Disposition stehen. Für eine solche Entscheidung würde sich, so Kierey, sowieso keine größere Mehrheit finden als beim Parteitag im letzten November. Damals hatte noch die überwiegende Mehrheit der CDU für den Vorsitzenden Diepgen gestimmt. Doch seitdem, so die Einschätzung des Wilmersdorfer CDU-Abgeordneten und Diepgen-Kritikers Jürgen Adler, »hat sich die Stimmung unheimlich gewandelt«. Dieter Rulff

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