: Durch Wahlwiederholung zur Union
EG-Außenminister suchen Ausweg aus der Dänen-Falle: Nordländer sollen erneut wählen und dann den Maastrichter Verträgen zustimmen/ Nato bietet KSZE Hilfe bei Friedensmissionen an ■ Von Andreas Zumach
Genf (taz) — Die durch das Nein des dänischen Volkes zu den Maastrichter Verträgen enstandene Hürde auf dem Weg zur politischen und wirtschaftlichen Union der EG soll möglicherweise mit Hilfe einer zweiten Abstimmung in dem skandinavischen Land überwunden werden. Diese Lösung zeichnete sich auf der Sondersitzung der EG-Außenminister in Oslo ab. Ebenfalls in Oslo beschlossen die 16 Außenminister der Nato, der KSZE die Unterstützung der Allianz bei „friedenserhaltenden Aktivitäten“ anzubieten.
Die Durchführung einer zweiten Volksabstimmung in Dänemark hatten die an der Kopenhagener Regierung beteiligten Parteien am Mittwoch noch als verfassungspolitisch unmöglich bezeichnet. Regierungschef Schlüter hatte eine solche Möglichkeit allerdings nicht ausdrücklich ausschließen wollen. Außenminister Uffe Ellemann-Jensen erhielt den Auftrag, seine elf Amtskollegen um eine Neuverhandlung der Maastrichter Verträge zu ersuchen. Doch schon bei der Ankunft machte er deutlich, daß er dies für aussichtslos hielt: „Die Wahrscheinlichkeit, daß die anderen „ja“ sagen, ist so gering, daß sich die Frage kaum lohnt.“ Vertreter einer Reihe anderer EG-Staaten hatten eine Neuverhandlung sowohl des ganzes Vertragspaketes wie einzelner Punkte zuvor abgelehnt. Auch die Möglichkeit, Dänemark im nachhinein eine „Opt-out“-Klausel zu gewähren, wie sie Großbritannien bereits bei der Vertragsunterzeichnung im Dezember 1991 eingeräumt wurde (wegen Londons Bedenken gegen Sozialvereinbarungen), wurde verworfen. Ausgeschlossen wurde ebenfalls, daß Dänemark ohne eine Ratifizierung der Maastrichter Verträge auf Dauer Mitglied der EG bleiben könne.
In dieser Situation erschien die Wiederholung der Abstimmung zu einem Zeitpunkt noch vor Ende 92 als einzig verbleibende Variante. Allerdings sind noch zahlreiche juristische Fragen offen, mit deren Klärung die Außenminister gestern ihre Rechtsexperten beauftragen wollten. Von der „Klarheit“ der Beschlüsse der Außenminister machte es der portugiesische Ratspräsident abhängig, ob er die EG-Regierungschefs zu einem Sondergipfel am Sonntag in Lissabon einlädt.
Nato dient der KSZE Hilfe an
Im Abschlußkommuniqué der 16 Nato-Außenminister, die ebenfalls in Oslo tagen, heißt es zur Unterstützung für die KSZE wörtlich: „Die Nato ist bereit, von Fall zu Fall, in Übereinstimmung mit unseren eigenen Verfahren, friedenserhaltende Aktivitäten unter Verantwortung der KSZE einschließlich der Bereitstellung von Ressourcen und Fachwissen des Bündnisses zu unterstützen. Wir haben den Ständigen Nato-Rat gebeten, mit der fachlichen Beratung durch die militärischen Gremien der Nato, die praktischen Optionen und Modalitäten zu untersuchen, wie eine solche Unterstützung geleistet werden kann. Dies erfolgt unbeschadet möglicher Beiträge anderer KSZE-Staaten und anderer Organisationen zu solchen Operationen.“
Diese Formulierung ist ähnlich interpretationsfähig wie die im Kommuniqué der Nato-Verteidigungsminister-Tagung Ende Mai in Brüssel. Nato-Generalsekretär Wörner hatte nach der Brüsseler Sitzung erklärt, mit der Bereitstellung von „Ressourcen“ sei auch der Einsatz von Nato- Truppen gemeint. Bundesaußenminister Kinkel wollte in Oslo „grundsätzlich keine Option für KSZE- Maßnahmen ausschließen“. Auch der stellvertretende US-Außenminister Eagleburger lehnte eine Entsendung von Truppen nicht ausdrücklich ab. Washington denke jedoch vor allem an die Bereitstellung von Transportkapazitäten.
Die im Kommuniqué der Außenminister enthaltene Formulierung „von Fall zu Fall“ geht vor allem auf französisches Drängen zurück. Die Regierung in Paris ist gegen eine Nato-Hilfe für die KSZE, weil sie darin eine unerwünschte Aufwertung der westlichen Allianz und damit der Rolle der USA in Europa sieht. Da nun in jedem Einzelfall entschieden werden muß, kann Frankreich durch sein Veto jede konkrete Unterstützung der Nato für die KSZE verhindern.
Heute findet in Oslo eine Sitzung des Nato-Kooperationsrates statt, zu dem neben den 16 westlichen Außenministern noch die aus den 20 osteuropäischen Staaten gehören.
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