: Neuer Umweltfonds für grüne Dollars
Entwicklungsländer messen den Erfolg des Umweltgipfels am Geldtransfer vom reichen Norden in den armen Süden/ Regierungsunabhängige Organisationen wollen alternative Weltbank gründen ■ Von Astrid Prange
Rio de Janeiro (taz) — Ein erbitterter Verteilungskampf um „grünes Geld“ ist auf dem UNO-Umweltgipfel (UNCED) ausgebrochen. Die Industrienationen halten den neuen Umwelttopf der Weltbank, „Global Environment Facility“ (GEF), für das einzig geeignete Finanzierungsinstrumentarium des Umweltprogramms „Agenda 21“ für das kommende Jahrtausend. Die Entwicklungsländer, zusammengeschlossen in der „Gruppe 77“, lehnen dagegen den von den Industrienationen kontrollierten GEF als undemokratisch und unzureichend ab und schlagen die Gründung eines ganz neuen, unabhängigen Fonds vor. Die regierungsunabhängigen Organisationen (NGO) wollen ebenfalls ein Stück von der Umwelttorte abhaben: Sie kündigten auf dem Gegengipfel „Global Forum“ die Gründung einer alternativen Weltbank an.
„Der Umwelttopf der Weltbank ist keine zuverlässige Quelle. Die Industrienationen, die in den GEF einzahlen, können ihre Mittel jederzeit reduzieren“, meint Maximo Kalaw, Vorsitzender von der philippinischen NGO „Green Forum“, die sich zuerst für die Gründung einer alternativen Weltbank stark machte. Außerdem sei die Struktur des GEF undemokratisch, weil nur die Geberländer über Stimmrechte verfügten.
Das Geld für den regierungsunabhängigen „Earth People Fund“ soll aus drei Bereichen abgezwackt werden: der staatlichen Entwicklungshilfe, der GEF und Spenden aus dem Bereich der Wohltätigkeitsorganisationen.
„Die private Philanthropie in den USA bringt pro Jahr 122 Milliarden Dollar auf, das ist wesentlich mehr, als die Weltbank ausschüttet“, erklärt der studierte Betriebswirt Kalaw.
Hauptaufgabe des alternativen Umweltfonds, der auf der kommunalen, nationalen und internationalen Ebene aufgebaut werden soll, ist die Finanzierung von umweltverträglichen Entwicklungsvorhaben auf lokaler Ebene. Außerdem sollen mit dem grünen Geld die Auslandsschuldentitel von Entwicklungsländern aufgekauft sowie die Nutzungsrechte an Spitzentechnologien bezahlt werden. Zwanzig Prozent der Mittel werden für Umweltkatastrophen und Hungersnöte zurückgelegt.
Erste Erfahrungen im Umgang mit einem alternativen Umweltfonds hat die NGO Green Forum bereits auf den Philippinen gesammelt. Vor knapp zwei Jahren gründete die Organisation dort den „Filipin Found for Environment“. Das Startkapital von 25 Millionen Dollar war ein Teil der US-Entwicklungshilfe, die früher der philippinischen Armee zugute kam. Der elfköpfige Aufsichtsrat des philippinischen Fonds setzt sich aus sieben Vertretern von NGOs, einem Regierungsvertreter und drei Mitgliedern eines Ältestenrates zusammen.
„Organisationen aus 42 Ländern haben bereits in Rio angekündigt, sich an der Gründung des Earth People Fund zu beteiligen“, erklärt Maximo Kalaw. Die deutschen NGOs gehören jedoch nicht dazu. „Wir haben uns mit der Idee noch nicht ausreichend beschäftigt“, meint Barbara Unmüssig, Leiterin der UNCED-Projektstelle. Die deutschen Umweltschützer befürchten, daß die Gründung der alternativen Weltbank in erster Linie den Interessen jener Ökokraten dient, die durch ihre ausgiebigen Aktivitäten auf internationaler Ebene bereits jede Beziehung zu ihrer Basis verloren haben.
Unterdessen versicherte Weltbank-Chef Lewis Preston und sein Kollege Mohamed Ashry auf einer Pressekonferenz, daß die Bank das Stimmrecht innerhalb des GEF demokratisieren wolle, allerdings ohne dabei ins Detail zu gehen. Auch wieviel die Industrienationen in den Umwelttopf der Weltbank einzahlen wollen, steht noch nicht fest. Weltbank-Chairman Ashry räumte auch ein, daß die Summe sicherlich nicht ausreichend sein dürfte: „Vielleicht zwei bis drei Milliarden Dollar, auf jeden Fall weniger als nötig.“
Für die Gruppe 77 hängt der Erfolg von UNCED ausschließlich von der Geldmenge ab, die der Norden dem Süden zur Sanierung seiner Umwelt zur Verfügung stellt. Der pakistanische Umweltminister Anwar Saifullah Khan, Sprecher der Gruppe der Entwicklungsländer, drohte damit, die Agenda 21 zu boykottieren, wenn sich die Industrieländer nicht dazu verpflichten würden, die bereits 1972 in Stockholm unterzeichnete Resolution einzuhalten. Danach sollen die Länder der Ersten Welt jeweils 0,7 Prozent ihres Bruttosozialprodukts als Entwicklungshilfe in den Süden überweisen.
Nur in einem Punkt stimmem die Vertreter der Gruppe 77 mit der Weltbank überein: Subventionen und Zollschranken, die Produkten aus Entwicklungsländern den Zugang zum Weltmarkt erschweren, schaden nicht nur der Handelsbilanz, sondern auch der Umwelt. Khan: „Pakistan bräuchte überhaupt keine Hilfe, wenn wir unsere Textilien ohne Einfuhrbeschränkungen in die Erste Welt verkaufen könnten.“
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