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Das Ende der schwarzen Kanäle

Der südafrikanische Reformprozeß spiegelt sich auch im Fernsehprogramm wider  ■ Aus Johannesburg Hans Brandt

Der weiße Anwalt ist ein liebenswürdig sabbelnder Onkel, sein Referendar ein tollpatschiger Dummkopf, der burische Pförtner ein verschrumpelter Opa. Aber der farbigen Sekretärin ist niemand gewachsen, und der schwarze Übersetzer hat's faustdick hinter den Ohren. Going Up, die Fernsehserie über ein südafrikanisches Anwaltsbüro, mag in Plot und Gags noch immer sehr schablonenhaft und voraussagbar sein. Aber sie wäre vor wenigen Jahren ein Skandal gewesen. Da war das Erscheinen von Weißen und Schwarzen im selben Werbespot von den Fernsehbehörden verboten. Undenkbar, daß in einem Fernsehspiel gleichzeitig drei verschiedene südafrikanische Sprachen gesprochen werden oder daß ein schwarzer Angestellter zur Belustigung des Publikums seinen weißen Chef reinlegt.

Aber seit der Reformprozeß in Südafrika die politische Landschaft umkrempelt, ist auch im Fernsehen viel Neues zu entdecken. Die lange als Sprachrohr der Apartheidregierung verufene südafrikanische Rundfunkorganisation SABC versucht, sich dem neuen politischen Umfeld anzupassen. Seit Anfang des Jahres sind die früheren „schwarzen Kanäle“ TV 2 und TV 3, die Programme in afrikanischer Sprache für schwarze Zuschauer, verschwunden. Statt dessen versucht das zweite Programm, durch die Verschmelzung von TV 2, TV 3 und dem Unterhaltungskanal TV 4 jetzt ein Publikum über die Rassenschranken hinweg anzusprechen. Daher auch der programmatisch überladene Name des Kanals, „Contemporary Community Values“, „Zeitgemäße Gemeinsame Werte“, kurz CCV.

CCV-Chef ist Madala Mphahlele, ein eigens für den Kanal aus der Werbebranche eingekaufter Marketing- Spezialist. Als höchstrangiger Schwarzer im SABC versucht er, dem „neuen Südafrika“ im Fernsehen Gestalt zu geben, Apartheid auf dem Bildschirm zu überwinden. Aber es ist noch unklar, was genau da an „Werten“ angeboten wird. Nur in einzelnen Programmen wie Going Up ist der Versuch zu erkennen, eine nichtrassistische südafrikanische Gemeinsamkeit zu demonstrieren. Sonst besteht das Programm aus US- Serien und Spielfilmen sowie aus alten südafrikanischen Produkten für schwarze Zuschauer, eben einer Mischung der alten Kanäle.

CCV wird als eigene Geschäftseinheit innerhalb des SABC betrieben, muß sich über Werbeeinnahmen selbst finanzieren. Mitte letzten Jahres wurde die gesamte SABC in Teilfirmen aufgeteilt, ein erster Schritt auf dem Weg zur geplanten Privatisierung der Organisation und ein Versuch der weißen Regierung, ihr langjähriges Instrument einer zukünftigen schwarzen Regierung vorzuenthalten.

„Die Kommerzialisierung des Rundfunks hat einen Widerspruch zwischen dem öffentlichen Auftrag und den wirtschaftlichen Anforderungen verursacht“, sagt Willie Currie, Generalsekretär der oppositionellen Organisation von Filmschaffenden, FAWO. Das, so Currie, erschwert auch die Versuche von CCV, ein Vorbild für das „neue Südafrika“ zu sein. „CCV muß Geld verdienen. Deshalb ist es von erfolgreichen amerikanischen Produktionen abhängig, kann es sich nicht leisten, einheimische Produkte in Auftrag zu geben.“

Obwohl CCV die Integration auf dem Bildschirm zumindest ansatzweise demonstriert, sind die Produktionsbedingungen hinter der Kamera immer noch die alten. Da sitzen bei CCV fast ausschließlich schwarze Mitarbeiter, während das erste Programm nach wie vor vorwiegend von Weißen für Weiße gemacht wird. „Das ist fast eine Neo-Apartheid“, meint Currie. „Richtige Integration gibt es nicht.“

Dennoch hat der Reformprozeß auch im ersten Programm Folgen gehabt, vor allem in Inhalt und Form der Nachrichten. „Die Veränderungen waren enorm“, sagt Rob Stephenson, Produktionsdirektor für Fernsehnachrichten. „Als Journalist ist die Arbeit jetzt viel befriedigender.“ Aber auf die Frage, wann und wie die Veränderungen zustande gekommen sind, kann Stephenson nur ausweichend antworten.

Anfang 1990, wenige Wochen vor Beginn der Reformen, war der Wechsel tatsächlich frappierend. Da wurden einem erstaunten Publikum, das an gähnenden Verlautbarungsjournalismus gewöhnt war, plötzlich unzensierte Live-Debatten zwischen Regierungsvertretern und Oppositionellen präsentiert. Es war eine deutliche Vorbereitung auf die politischen Verhandlungen mit der Opposition, die wenig später begannen.

Aber das war auch ein Hinweis auf die Rolle, die die SABC immer spielte und Kritikern zufolge bis heute einnimmt: systemtragende Institution, Instrument der weißen Minderheitsregierung. Stephenson sind Fragen nach der politischen Ausrichtung unbequem, er verschränkt Arme und Beine, lehnt sich zurück, antwortet mit großer Vorsicht. „Wir werden von allen Seiten kritisiert“, sagt er. „Dann müssen wir doch etwas richtig machen, oder?“

Zweifellos achtet die Nachrichtenredaktion jetzt viel mehr auf die Ausgewogenheit. Vertreter der schwarzen Opposition sind regelmäßig zu sehen, Debatten werden zugelassen. Und es erscheinen Beiträge über die Probleme der schwarzen Mehrheit, die früher für weiße Zuschauer vollkommen ausgeblendet wurden. Aber im Krisenfall, beispielsweise bei der Aufdeckung eines Skandals über Regierungshilfe für gemäßigte schwarze Parteien, wird auch mal eine Live-Debatte in letzter Minute abgesagt, damit die Regierung sich besser vorbereiten kann.

„Der auffallendste Aspekt der SABC-Nachrichten ist die Präsentation von de Klerk als dem Alleinverantwortlichen für den Reformprozeß,“ schreibt die Kommunikationswissenschaftlerin Brownyn Keene- Young in einer Untersuchung für die „Kampagne für offene Medien“. Keene-Young meint auch, daß Oppositionsvertreter von SABC-Journalisten bei Interviews noch immer viel härter in die Mangel genommen werden als Regierungsmitglieder.

Für die Opposition ist es deshalb von großer Bedeutung, die SABC sobald wie möglich in die Kontrolle eines politisch unabhängigen Gremiums zu übertragen. Zwar hat sich die Regierung diesen Forderungen bisher widersetzen können. Aber der Druck wird in den nächsten Monaten zweifellos zunehmen. „Wenn die Regierung bei demokratischen Wahlen die elektronischen Medien kontrolliert“, warnt Currie, „könnte das die Opposition fünf bis zehn Prozent der Stimmen kosten.“

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