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PREDIGTKRITIKVom Kino auf die Kanzel

■ Das katholische Dreifaltigkeitsfest

Bertold, lieber Bertold.« Immer wieder ist vom lieben Bertold die Rede — an diesem Sonntag in der Sankt-Ludwigs-Kirche an dem nach ihr benannten Platz in Wilmersdorf, wo die Kirche drinnen hält, was der frisch beblümte Platz vor der Tür verspricht. Ein Eingang wie in einer Nobel-Boutique: Halogenlicht fällt auf marmorverkleidete Wände. »Lieber Bertold«, sagt der Priester vorn schon wieder, und langsam wird es klar: Diesen Bertold suchen Sie in der Heiligen Schrift vergeblich, es handelt sich um den Bruder Bertold, zu dessen Einführung dieses Hochamt mit Verstärkung des gemeindeeigenen Chores gehalten wurde, und Bertold assistiert heute dem noch jugendlichen Pfarrer.

Dieser hat noch nicht allem Weltlichen entsagt, wie der Anfang seiner Predigt beweist: »Vor Jahren gab es einen Film — Rainman mit Dustin Hoffman.« Ein Film über zwei ungleiche Brüder, von denen der eine Autist ist, ein Film, durch den die Krankheit Autismus ins Gespräch kam. Für alle, die den Film nicht kennen, die zahlreichen Kinder und die Alten, wird das Phänomen noch einmal erklärt: Autisten sind auf sich selber ausgerichtet und zu keiner zwischenmenschlichen Beziehung fähig. Sie kennen keine Wut und keine Freude, und wenn ihnen nicht geholfen wird, dann verkümmern sie.

Das wirkliche Leben aber bestehe aus der Begegnung, zitiert der Priester jetzt den jüdischen Religionswissenschaftler Martin Buber und erweist sich damit als weltläufig: auf und ab, ich und du. Am Du soll das Ich leiden und wachsen. Nur wer von sich loskommt, ist auf dem rechten Weg, wie schon Jesus sagte: Wer sich verliert, hat mich gefunden. So schafft der Priester den Übergang vom Cineastischen zum Theologischen. Denn heute wird der Dreifaltigkeitssonntag gefeiert, ein Fest mit einem schwierigen Zugang, weil hier nicht von Gottes Tun die Rede ist, sondern von Gott selber: 3=1 oder 1=3, wie ist das zu verstehen? Heute leider gar nicht, denn gerade als der Priester dieses Geheimnis entschlüsselt, fängt es im Kinderwagen an zu krähen, als liege dortdrin ein junges Wesen, das sich noch nicht entschlossen hat, ob es Dustin Hoffman oder Autist werden will. In den Verschnaufpausen im Kinderwagen dringen nur die Kernsätze durch: Wenn das Leben Begegnung ist, dann ist Gott vollkommen. Und daß dem so ist, wird durch die Bibel gestützt, in der nur von Mann und Frau zusammen als Ebenbild Gottes gesprochen wird. Dazu kommt die Begegnung mit Gott, über den selber gesprochen werden kann und muß, sei es auch stammelnd. Das sei oft hilfreicher als das Wühlen in der theologischen Bibliothek, in der sich andererseits folgende Weisheit Gottes finden läßt: Die Freude, bei den Menschen zu sein. Diese Aufforderung ergeht an Bruder Bertold, daß er fortan nicht nur in Büchern blättere, sondern vielleicht mal ins Kino geht. Lutz Ehrlich

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