KOMMENTAR: Ökologische Ungerechtigkeit
■ Der Senat spart auf Kosten der Umwelt
In puncto Sozialdemokratismus läßt sich der christdemokratische Senatschef von niemandem übertreffen. Nachdem der Verkehrssenator am Freitag angekündigt hat, den kleinen Leuten in die Tasche zu greifen, sorgte Eberhard Diepgen gestern für den sozialen Ausgleich. Nicht nur die Tarife bei Bussen und Bahnen, für Müllabfuhr und Wasser müssen teurer werden. Mit einer Erhöhung der Grundsteuer soll es auch die Reichen treffen.
Die ökologische Gerechtigkeit kommt derweil mal wieder unter die Räder. Denn bisher ist das, was der Senat angekündigt hat, nichts anderes als eine Strafe für ökologisches Handeln: Ausgerechnet die BVG-Benutzer sollen im Zwei-Jahres-Rhythmus Preiserhöhungen verkraften. Autofahrer dagegen dürfen das von der Stadt finanzierte Angebot an Straßen und Parkplätzen weiterhin zum Nulltarif nutzen.
Mit Tariferhöhungen bei der BVG ist die Senatsverkehrsverwaltung immer noch fix dabei. An einem Konzept für höhere Gebühren für Cityparker quält sich die Behörde seit drei Jahren, ohne daß irgendein vorzeigbares Ergebnis herausgekommen wäre. Mit Behördenträgheit allein läßt sich diese Einäugigkeit nicht mehr erklären. Es muß wohl böser Wille sein. Acht Tage vor der Wahl hatten die Regierungsfraktionen sich noch eine grüne Feder an den Hut gesteckt und allerlei wegweisende Konzepte versprochen. Autofahrer in der City, Ost und West, sollten zur Kasse gebeten werden. Die BVG-Karte sollte als Parkausweis hinter die Scheibe.
Drei Wochen nach der Wahl stünde dem Senat statt der Farbe Grün besser die Schamesröte zu Gesicht. Würde der Verkehrssenator seinen Titel verdienen, hätte er zur Haushaltsberatung einige Rechnungen vorgelegt, hätte aufgeführt, welche zusätzlichen Einnahmen die Stadt aus den Parkuhren ziehen kann, und hätte belegt, wie die Autofahrer mit ihren Parkgebühren helfen können, das BVG-Defizit zu verringern. Nichts dergleichen haben wir gehört.
Deshalb ein letzter Sparvorschlag zur Güte, direkt von uns an Eberhard Diepgen: die Verkehrsverwaltung schließen, alle Mitarbeiter umschulen zu Parkkontrollettis und Busspurbetreuern und auf die Straße schicken. Den Verkehrssenator machen wir zum Senatssprecher und lassen ihn alle schlechte Nachrichten verkaufen. Etwas anderes macht er jetzt ja auch nicht. Hans-Martin Tillack
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