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MIT ÖLSCHEICHS AUF DU UND DUDer Bibel-Approach von Rio

■ Opec-Vetos zeigen, wie sich Unvereinbares kitten läßt

Rio der Janeiro (taz) — Menschen aus dem Orient haben Zeit, und sie lieben den diplomatischen Tauschhandel — sympathische Klischees, die sich auf der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) bewahrheiten. So etwa, wenn es um die Erwärmung und Verschmutzung der Erdatmosphäre geht: Während WissenschaftlerInnen und PolitikerInnen aus vielen Ländern glauben, fossile Brennstoffe müßten eingespart werden, wehrt sich das Kartell der erdölerzeugenden Staaten (Opec) schon aus purem Eigeninteresse ganz vehement gegen eine Reduktion des schwarzen Goldes bei der Deckung des Energiebedarfs. Einsparungen seien schädlich für die Weltwirtschaft, so die Ölminister, und bei der Debatte um den CO2- Ausstoß werde die Verbrennung von Erdöl ohnehin viel zu sehr in den Vordergrund gerückt. Maßnahmen zur Schadstoffreduzierung und Verringerung des Ölverbrauchs könnten „teuer und sinnlos sein“, wenn der Treibhauseffekt nicht so funktioniere, wie es einige Wissenschaft vorhersagten, verkündeten sie skeptisch.

Die Saudis haben folgerichtig bereits Einfluß auf die letztlich extrem verwässerte Klimakonvention genommen. Bei den Verhandlungen zur globalen Umweltbibel „Agenda 21“ gingen sie noch einen Schritt weiter. Das Klimakapitel sollte ganz gekippt werden, alle Hinweise auf regenerative Energien und Einsparungen so unter den Tisch fallen. Als der Versuch scheiterte, sattelten die Ölscheichs auf eine andere Strategie um: Schon in der Bibel stehe Unvereinbares beständig nebeneinander, warum also nicht auch in der Umweltbibel? Kurzerhand formulierten sie, Klimaschutz und Energiesparmaßnahmen eines Landes „sollten anderen Staaten nicht schaden, insbesondere nicht ihrer sozialen und ökonomischen Entwicklung“. Für Nichtökonomen: Es ist den Ölstaaten solange egal, ob Energie eingespart oder effizienter genutzt wird, solange sie ihr Erdöl nur weiter in gleichen Mengen und zu für sie annehmbaren Preisen verkaufen können.

Der Gedankengang läuft natürlich jeglicher Klimapolitik zuwider. Also wurde in der entsprechenden Diplomatenarbeitsgruppe in Rio die Teekanne aufgesetzt, das für und wider der Argumente gewendet, nach Formulierungen und Kompromissen gesucht. Zweieinhalb Stunden rangen die Diplomaten um den Verbalkitt für das Unvereinbare — dann war die Erklärung fertig: „Bei Aktivitäten im Rahmen der obengenannten Verträge (Klimakonvention und Montrealer Protokoll zum FCKW-Ausstieg, d. Red.) ist klar, daß die Empfehlungen dieses Kapitels keine Regierung verpflichten, Maßnahmen zu ergreifen, die über das rechtlich in den oben genannten Vereinbarungen hinausgehen. Im Rahmen dieses Kapitels steht es Regierungen aber frei, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen, die mit den juristischen Vereinbarungen in Einklang stehen.“ Alles verstanden? Die Formulierung bedeutet kurz und knapp, daß die Regierungen zu nichts verpflichtet sind. Bewirkt eine solche Einigung och irgend etwas? Schauen Sie auf die Bibel — der Glaube macht's. Hermann-Josef Tenhagen

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