: Stolpe zeigte ILA die kalte Schulter
■ Luftfahrtschau offiziell eröffnet/ Stolpe protestierte mit seiner Abwesenheit gegen Jäger-90-Modell/ Vorführung von Airbus A 340 und Starfightern
Schönefeld. Die Internationale Luftfahrt- und Raumfahrtausstellung (ILA) mußte gestern ohne den brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD) eröffnet werden. Er sagte seine Teilnahme in der Nacht auf Montag ab, weil trotz mehrstündiger Gespräche die Veranstalterin nicht bereit war, das Modell des »Jäger 90« von dem Ausstellungsgelände zu entfernen. Der Ministerpräsident kritisierte, daß das Land Brandenburg in »unangemessener Weise« in die europaweite Diskussion um das Kampfflugzeug hineingezogen werden solle. Stolpes Verhalten stieß auf der Eröffnungsveranstaltung bei allen Rednern indirekt auf Kritik.
Wirtschaftsminister Walter Hirche (FDP) bedauerte vor rund 1.000 geladenen Gästen aus Politik, Wirtschaft und Forschung, daß um »einzelne Ausstellungsstücke ein heftiger öffentlicher Streit« entbrannt sei. Berlins Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) betonte, daß jede Diskussion ihren Zeitpunkt habe, manchmal sei der Zeitpunkt falsch gewählt. Bundesfinanzminister Theo Waigel (CSU) sagte, daß Wohlstand und Technologiefeindlichkeit nicht zusammenpaßten. Bei jeder der Äußerungen klatschte das Publikum. Der Landesvorsitzende der Berliner SPD, Walter Momper, äußerte sich gegenüber der taz äußerst zurückhaltend zu Stolpes demonstrativer Abwesenheit: Der brandenburgische Ministerpräsident müsse selbst wissen, was er tue.
Zum Projekt Jäger 90 verlor sich Bundesfinanzminister Waigel in Andeutungen. Er riet in seiner Rede dem Bundesverteidigungsminister, vernünftig und nach Abwägung aller Argumente über das Ja oder Nein zum Rüstungsprojekt zu entscheiden. Im Vordergrund des Projektes, an dem auch Großbritannien, Frankreich und Spanien beteiligt sind, müsse die Sicherung des Industriestandortes Deutschland stehen. Die Eröffnungsveranstaltung beendete das Berliner 5. Luftwaffenmusikkorps der Bundeswehr mit einer instrumentalen Version der deutschen Nationalhymne.
Als die Minister und Industriellen die Messehalle A nach der nationalen Gefühlsduselei verließen, zeigten sich manche Teilnehmer über die massive militärische Präsenz überrascht. Der überwiegende Teil graulackierter Hubschrauber und mit Bomben ausgerüsteter Flugzeuge war ausgerechnet auf dem Freigelände vor Halle A geparkt.
Wie bereits am Sonntag zeigten Militärs und private Unternehmen, was ihre Flugzeuge zu leisten vermögen. Der größte europäische Verkehrsjet Airbus A 340, der erstmals in Berlin zu sehen ist, startet deutlich leiser, als alle anderen Flugzeuge, die derzeit auf Flughäfen abheben. Anfang 1993 wird die Lufthansa einen A 340 in ihren Dienst stellen. Als »attraktivste Visitenkarte« gilt auf der diesjährigen Flugzeugmesse auch die Dornier 328. Das Cockpit des Regionalflugzeugs ist mit fünf Bildschirmen ausgerüstet — exakt wie bei großen Airlinern.
Viel Lärm verbreiteten dagegen die Militärmaschinen. Die GUS- Staaten führten gestern die Jäger-90- Konkurrenz — eine MiG 29 — vor, die offenbar senkrecht in der Luft zu stehen vermochte. Während der Vorführung waren auf dem Messegelände Gespräche kaum noch zu verstehen.
Die Brandenburger PDS hielt aus Protest gegen den militärischen Anteil auf der ILA ihre Fraktionssitzung vor dem Flughafengelände ab. Gesine Lötzsch, Vorsitzende der PDS- Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, kritisierte die Polizei, die eine Sitzblockade von Abgeordneten aus Berlin, aus dem Potsdamer Landtag und Anwohnern des Flughafens beendet habe.
Die Messe ist bis kommenden Mittwoch nur für das Fachpublikum geöffnet. Dirk Wildt
Siehe auch Seite 7 und Seite 28
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