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JAPANISCHE GESCHMACKSVERSTÄRKER KOMMEN NACH EUROPA

Der fünfte Geschmack

Tokio (afp) — Süß, bitter, salzig, sauer... Jeder erkennt den Geschmack von Kuchen, Kaffee, Sardellen oder Zitronen. Aber wie steht es mit dem Aroma von Tomaten, Käse, Huhn und Pilzen...? Dank japanischen Erfindungsreichtums gibt es dafür einen fünften Geschmack: „Umami“.

Jetzt sei es japanischen Wissenschaftlern gelungen, einen Geschmacksverstärker zu kreieren, der „Umami“ erst richtig zur Geltung bringt: Natrium-Glutamat. Der Stoff ist ein Exportschlager des Landes, und der japanische Nahrungsmittelgigant Ajinomoto Co. hat im vergangenen Jahr durch seinen Verkauf 235 Millionen Dollar verdient. Vor allem die Japaner selbst sind offenbar ganz wild auf den Geschmacksverstärker. „Umami ist wie ein Kontrabaß in einem Orchester, es bringt die anderen Elemente erst richtig zum Klingen“, schwärmt eine Restaurantbesucherin in Tokio. Auf japanischen Tischen fehlt der kleine Flakon mit dem weißen Pulver ebensowenig wie die obligatorische Soja- Soße, und jeder Japaner konsumiert pro Jahr ein Kilogramm hiervon. Der menschliche Organismus enthält natürlicherweise bereits zwei Kilogramm dieser Aminosäure, die in fast allen Eiweißen vorkommt.

Ajinomoto hat in Japan mit fast 100 Prozent ein absolutes Herstellungsmonopol. Weltweit führt die Firma zudem bei der Verwendung von Aminosäuren. Auch auf dem Exportmarkt hält „Umami“ fast ein japanisches Monopol. Abgesehen von China kontrolliert Ajinomoto ein Drittel des Welt-Glutamat-Marktes, der auf 500.000 bis 600.000 Tonnen pro Jahr geschätzt wird. Asien ist dabei der beste Abnehmer für das Firmenprodukt. Die Japner beliefern die Philippinen, Thailand, Malaysia und Indonesien und haben auch die Märkte von China, Vietnam und Birma im Visier. Der US-Markt wurde bereits vor langer Zeit erobert. Dort kontrolliert der Lebensmittelgigant aus Nippon inzwischen 50 Prozent des Glutamat-Umsatzes.

Nun soll das Produkt auch in Europa verstärkt lanciert werden. Ajinomoto hält hier bis jetzt 20 bis 30 Prozent am Gesamtverkauf der Geschmacksverstärker. Der Absatz solle in Zukunft jedoch auf 60.000 Tonnen pro Jahr hochgeschraubt werden, um die steigende Nachfrage nach Fertiggerichten in Mittel- und Osteuropa zu befriedigen, erklärt Ryuhei Wakao, Pressesprecher von Ajinomoto. Europäische Feinschmecker rümpfen jedoch vor dem Kunstprodukt die Nase. In Italien schlug die jüngste Werbekampagne der Japaner fehl. Doch dies sei nur ein Scheinsieg der patriotischen Küche, tröstet der Firmensprecher. „Die Italiener essen das Produkt eben doch, in Parmesan und Pasta ist jede Menge Glutamat“, verrät er. „Deshalb liebt doch alle Welt die italienische Küche.“

Offenbar gibt es jedoch auch berechtigte Gründe für die Skepsis vieler Konsumenten. Glutamat ist ein fermentiertes Produkt, das in größeren Mengen Übelkeit, Migräne und Herzklopfen hervorrufen kann: das sogenannte „Chinesische-Restaurant-Syndrom“. Viele Gaststätten in den USA haben dem bereits Rechnung getragen und kündigen auf ihren Speisekarten an, die Gerichte seien „glutamatfrei“. Auch in der jungen Generation Japans regt sich zunehmende Abstinenz. Forscher bei Ajinomoto haben daher alle Hände voll zu tun, um zu beweisen, das ihr Produkt nicht krank macht.

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