: Gefahr durch Holzschutz war bekannt
Holzschutzmittel-Prozeß: Gutachter sieht Bevölkerung mit PCP kontaminiert/ Holzschutzmittel als Ursache ■ Von Michael Blum
Frankfurt/Main (taz) — Die Gesundheitsgefahren durch PCP-haltige Holzschutzmittel waren in Expertenkreisen jahrelang bekannt. Trotzdem geschah nichts. Dieses Fazit ergab sich im Frankfurter Holzschutzmittel-Prozeß nach der Vernehmung von Harun Parlarhat, Professor für analytische Umweltchemie. Er berichtete am fünften Verhandlungstag vor der Umweltkammer am Landgericht Frankfurt amMain, daß ihm bereits seit 1975 ein Zusammenhang zwischen Holzschutzmitteln und gesundheitlichen Problemen bekannt gewesen sei. In dem Prozeß sind zwei Manager der Düsseldorfer „Desowag Materialschutz GmbH“ angeklagt.
Parlarhat, Chemiker an der Gesamthochschule Kassel, hatte damals für ein Münchner Chemieinstitut die Bewohner eines mit Holzschutzmitteln in Innenräumen behandeltes Haus untersucht. Ergebnis: Die Pentachlorphenol (PCP)- Konzentration lag in dem Haus sechsmal höher, als es der maximale Arbeitsplatzwert erlaubt.
In der vom Bundesgesundheitsamt (BGA) 1978 aufgrund von Gesundheitsbeschwerden von Holzschutzmittel-Anwendern einberufenen Ad-hoc-Kommission habe er allein mit seinen Warnungen vor den Mitteln gestanden. Die beteiligten Industriemanager befürchteten offenbar einen Skandal und Schadensersatzklagen, hätte sich die Kommission zu einer eindeutigen Warnung durchgerungen. Auch die Politiker hätten der Bevölkerung die „Reife abgesprochen, Warnungen richtig einzuordnen“. Ähnliches hatte bereits ein Mitarbeiter des BGA in der letzten Woche als Entschuldigung für seine Behörde vorgebracht. Die Menschen, meinte Dr. Aurand, wären nicht durch die Mittel, sondern durch die Angst davor krank geworden. Parlarhat berichtete weiter, daß die Industrie mit weiteren Studien die Kommission habe hinhalten wollen. Beim BGA hätte man sich demnach auch nicht zu einer Warnung vor den ursächlichen Zusammenhängen von Holzschutzmitteln und Krankheiten durchringen können. Um so überraschender sei es gewesen, daß die Firmen die Produkte vom Markt nahmen und durch PCP-freie ersetzten. Nach Auffassung Parlarhats sechs Jahre zu spät. Solange seien in den USA und Schweden schon Studien über die Gefährlichkeit von PCP bekannt gewesen. Schwere Vorwürfe richtete der Sachverständige deshalb an das BGA, gegen das die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt.
Das Amt hätte frühzeitig und eindeutig vor den Mitteln, die so aggressiv wie selten ein anderes Produkt von den Herstellern vermarktet worden seien, warnen müssen. Durch die verspäteten und halbherzigen Empfehlungen sei es zu einer „flächendeckenden PCP-Kontimination der BRD-Bevölkerung“ gekommen. Anwender hätten wegen fehlender Warnhinweise die zum Teil aus 5 Prozent PCP-bestehenden Mittel ohne Gasmasken gleich hundertliterweise verstrichen und auch mit Salatbestecken und Kinderwagen in den Giftsubstanzen gepanscht.
Die der Körperverletzung und dem Freisetzen von Giften angeklagten Desowag-Manager Hagedorn und Steinberg hatten bislang ebenso wie das BGA einen Zusammenhang zwischen Holzschutzmitteln und Erkrankung abgestritten. In den beiden letzten Verhandlungstagen hatten Gutachter dies aber nachdrücklich wiederlegt. So sah der Neurologe und Psychotherapeut Kurt Lohmann einen ursächlichen Zusammenhang bei seinen Patienten belegt.
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