: Das große Schweigen
■ Trollers Handke-Versuch, ZDF, So., 22.05 Uhr
Das frühere Enfant terrible der Literatur habe sich zur Ruhe gesetzt — die Einleitung der Ansagerin verhieß nicht gerade Spannung. Was hatte man auch erwartet? Schließlich sind wir nicht bei Biermanns zu Gast. Während dieser sich auf N3 selbst darstellte, ging es nebenan bei Handkes eher gemächlich zu. Peter Handke? Das war doch der junge Mann, auf dessen Nase das Siebziger-Jahre-Brillengestell schon diesen dezenten Hauch von wunschlosem Unglück begleitete. Die Wunschlosigkeit ist ihm geblieben, auch wenn ein neues Brillengestellt à la Wenders dynamisches Altern verspricht. Aber es mußte schon ein wenig mehr sein, um die Zeitlosigkeit des beinahe Fünfzigjährigen einfangen zu können.
Die Kamera verfolgt ihn in sein Arbeitszimmer. In seinem Elfenbeinturm sitzt er nun dekorativ mit seinem Baby, die Lebensgefährtin werkelt im Hintergrund. Ob dies das Arbeitszimmer des großen Dichters sei, fragt Georg Stefan Troller angesichts des großen Schweigens, das sich über den Gequälten legt. O-Ton- Handke: „Ja, das stimmt alles.“ Aha. Sensibel will sich Troller nähern, doch das erweist sich als schwierig. Ob er sich selbst verändert, ob sich seine Schreibe verändert habe, ja, das wollten wir wissen, aber doch bitte nicht so taktlos gefragt! Inzwischen wird schon verbissener gebohrt, und wir sehen unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigt: daß sich nämlich gar nichts im Leben des Literaten verändert hat. Schade eigentlich, daß seine Existenz nur durch konsequent lakonische Antworten auf blöde Fragen oder Schweigen bestätigt wird. „Die Schönheit mancher Dinge soll man in Ruhe lassen“, meint Handke und resümiert das schwindende Interesse der Leser. Überhaupt seinen seine Bücher langweilig, hätten zu wenig Sex. Eine harte Nuß für Troller. Beim schleppenden Dialog kommt raus, daß Handke nicht wisse, was Liebe sei. Hm. Gut, daß es im Garten so idyllisch herbstlaubelt, da kann man den Dichter so schön in Szene setzen: Bilder müssen schon sein. Und weil Intellektuelle vorzugsweise in Cafés rumhängen, steht Handke auch schon mal am Tresen. Leider ziemlich ratlos und allein. Eitel ist er ja nun gar nicht, gibt artig spärliche Antworten auf die Ereignislosigkeit und Leere, die ihn unter Menschen umgibt. Nach ereignislosen 30 Porträtminuten sehen wir Handke allein auf einem Bahnsteig sitzen. Er verpaßt den Zug, und wir Zuschauer verpassen ebensowenig [gefragt, was nach seinem Tod sei, sagt Herr Handke, dann würden die Bäume rauschen und die Wolken ziehen, ohne ihn. Und vielleicht ist das doch etwas, d.S.]. Zurück bleibt der wortkarge Dichter und wir konstatieren: Die Personenbeschreibung, das war ein Versuch. Cora Leonhard
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