: Abbilden, was man sieht
■ „Die Dinge“ von Albert Renger Patzsch: Fotoausstellung in der Galerie Kleine in Worpswede
Baum
Abruptes Ende oben: Bäume...
„Ein Fotograf war gekommen, um den Plunder der Malerei aus den Augen seiner Generation zu wischen.“ So oder so ähnlich könnte die Ausstellung „Neue Sachlichkeit“ der Fotografien von Albert Renger-Patzsch (1897-1966) in einem Satz gefaßt werden.
Übersichtlich gehängt, zeigt die Galerie des Fotoenthusiasten Wolfgang Kleine in Worpswede etwa fünfzig Lichtbilder dieses deutschen Fotoklassikers, deren Bedeutung für die Ästhetik der Fotokunst ein Zeitgenosse 1929 so beschrieb: „Sie wollen nichts vortäuschen, und sie wollen nichts verschleiern. Sie wollen
nicht mehr sein als Photographien, aber auch nicht weniger. Und sie wollen endlich ihre Selbständigkeit und Freiheit neben der Malerei beweisen.“
Für Renger-Patzsch besteht die Leistung der Fotografie darin, ganz genau abzubilden, und nicht darin, mit Labormanipulationen die Impressionisten nachzuäffen. Die Ausstellung dokumentiert die streng angestrebte Klarheit in den Schwarzweißbildern Renger- Patzsch's hauptsächlich mit Arbeiten aus seiner Serie „Bäume“ und mit Industrie- und Landschaftsaufnahmen aus dem Ruhrgebiet und deutschen Mittelgebirgen. In den Landschaftsbildern
Schornsteine
... und Industrie, gesehen von Albert Renger-Patzsch
zeigt der Fotograf die vielfältigen Grautöne des Reviers. Scharf und detailgenau sind Riesenkrahn und Nockenwelle aus dem Hintergrund herausgelöst. Egal, ob Strohmdrähte das Bild schräg durchziehen, ein ineinander verwickeltes Metallrohr den Rahmen ausfüllt oder die Maserung der Helgoländer Felsen, der Gegenstand ist für Renger-Patzsch beliebig. Allein die Struktur stellt er dar und hebt einen bestimmten Ausschnitt hervor, indem der Künstler manchen Bildern den Boden entzieht oder sie oben abrupt enden läßt. Menschen kommen auf den Fotografien Renger- Patzsch's so gut wie nicht vor;
ging es ihm doch um „die Dinge“, wie er einen seiner ersten Fotobände gerne betitelt hätte.
Mit seiner sachlichen Sichtweise setzt Renger-Patzsch sich von der malerhaften Fotografengeneration seines Vaters ab, der ihn schon als Kind die Technik der Fotografie gelehrt hat. Durch sein Interesse für die Formenwelt der Alltagsumgebung zeigt Renger-Patzsch, was in der Fotografie möglich ist, wenn sie sich auf ihre eigenen Qualitäten besinnt: Nämlich abzubilden, was man sieht. Indem er gefundene Bildausschnitte der Realität ablichtet, steht Renger-Patzsch auch im Widerspruch zur gegenwärtigen Kunstfotografie, die über ein halbes Jahrhundert später wieder Bilder arrangiert, konstruiert und manipuliert.
Stefan Krüger
Zu sehen sind die Aufnahmen von Albert Renger-Patzsch bis zum 18. August in der Lichtbild-Galerie Worpswede, Neu-Bergedorfer Damm 44 A, Fr.-So. 14-20h, weitere Informationen: Tel. 04792-4135.
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