piwik no script img

Das postfeminine Beziehungsdesaster

■ Den Preis für den Aufbruch der Frauen zahlen diese allein

Daß der Feminismus in Italien für Paarbeziehungen teilweise vernichtende Auswirkungen gehabt hat, bezweifelt wohl niemand. Die Frage ist, ob dieses „vernichtend“ unbedingt negativ ist.

Italien war lange Jahre das letzte Bollwerk der künstlich aufrechterhaltenen Paarbeziehungen; bis weit über 1974 hinaus, als endlich Scheidung möglich wurde. Die Fiktion der Treue wurde aufrechterhalten, war die Beziehung auch noch so kaputt. „Verlobt“ meist schon mit 16, 17 Jahren, durfte man nicht mehr vom Ziel Ehe lassen, auch wenn man dann erst mit 35 heiratete. Die Realität der Zweiergemeinschaft sah danach aus: von drei verlobten Paaren hatten zwei schon Nebenbeziehungen, bevor das kirchliche Jawort gesagt wurde, und sie setzten die Tradition als Routine in der Ehe fort. Das war ein offenes Geheimnis. Daß die ItalienerInnen die Fiktion intakter Gemeinschaft dennoch aufrechterhielten, hatte weniger moralische und schon gar keine amouröse, sondern vor allem soziale Gründe: Treulosigkeit bedeutete Ausschluß aus der Sozialgemeinschaft — für die Frau. Kehrt der Mann bei einer Trennung zur Mamma zurück, bleibt die Frau auch in ihrer eigenen Familie geächtet.

Der Feminismus kümmerte sich wenig um diesen Aspekt. Das eigene Leben zu leben und Partnerbeziehungen der eigenen Emanzipation unterzuordnen, wurde Alltag; eine Revolution. Das wäre nicht zu bedauern, hätte es dieselbe Revolution auch bei den sozialen Bezügen gegeben. Da fand sie aber nicht statt, und den Preis bezahlen die Frauen. Auffangeinrichtungen wie Frauenhäuser oder Sozialhilfe sind in Italien nahezu unbekannt.

Das Fatale für die Frauen: umkehrbar ist dieser Vorgang nun auch nicht mehr. Die gekränkten Männer — die heute weithin die Rolle des Ernährers verloren haben und sich minderwertig fühlen — haben ihre emanzipierte Partnerin nicht mehr im traditionellen Sinne „verstoßen“, aber sie fürchten sie. Wo sie nicht zur Mamma zurückgekehrt sind, haben sie sich in homosexuelle Partnerschaft (Thema unendlich vieler italienischer Filme) geflüchtet oder suchen Sex nur noch bei Transvestiten. Der Macho von einst hat sich arrangiert — ohne daß daraus ein Pluspunkt für die Frau wurde. Von den wichtigen Entscheidungen in der Öffentlichkeit, in Politik, Wirtschaft, Kultur, bleibt sie weiter ausgeschlossen. Doch all das nun ohne den Schutz, zu dem sich die Männergesellschaft einst für die Frauen zumindest ansatzweise verpflichtet sah. Joko De Jong

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen