: Folter in griechischen Gefängnissen
Berlin (taz) — Auch 18 Jahre nach dem Ende der Militärdiktatur wird in Griechenland noch gefoltert: Allein im vergangenen Jahr wurden der Menschenrechtsorganisation amnesty international (ai) 45 Fälle von Folter und Mißhandlungen in Gefängnissen und Polizeistationen bekannt. Unter den Opfern waren TeilnehmerInnen an Demonstrationen, Homosexuelle, Personen, denen Drogendelikte vorgeworfen wurden und Angehörige der türkischen Minderheit in Griechenland. Die griechischen Behörden stehen diesen Mißhandlungen angeblich tatenlos gegenüber. ai fordert jetzt die Regierung in Athen auf, eine öffentliche Untersuchungskommission einzusetzen. Darüberhinaus solle ein unabhängiger Ombudsmann die Ermittlungen überwachen.
In ihrem gestern in London vorgelegten 55seitigen Bericht „Griechenland — Folter und Mißhandlung“ dokumentiert amnesty international zahlreiche bekanntgewordene Fälle. 35 Fälle aus den vergangenen sieben Jahren, die teilweise ganze Personengruppen umfassen, werden in dem Report detailliert geschildert, darunter auch der Fall eines Deutschen, der von mehrstündigen Folterungen in der Polizeistation von Litochoro berichtet. Die laut ai häufigsten Foltermethoden sind Boxhiebe, Tritte und Schläge mit Stöcken. Einige Polizeihäftlinge berichteten, sie seien mit Revolvern bedroht und mit Elektroschocks malträtiert worden. Andere wurden der Falanga ausgesetzt, die in Schlägen auf die Fußsohlen besteht, oder aufgehängt und dann verprügelt. ai liegen außerdem Berichte vor, wonach Gefangene tagelang in kalte Isolationszellen gesperrt wurden, in denen sie zu wenig oder gar kein Essen erhielten. ai äußerte sich höchst besorgt über die Mißhandlung und sexuelle Demütigung von Frauen in griechischem Polizeigewahrsam.
Für die Folterungen verantwortlich sind laut ai meist Polizisten oder Gefängnisbeamte, die die Festgenommene einschüchtern, zur Preisgabe von Informationen zwingen oder Geständnisse erpressen wollten.
Ein 26jähriger türkischer Flüchtling, der von einer Anti-Drogen-Einheit der Athener Polizei festgenommen und verhört worden war, starb im Krankenhaus. Er hatte zuvor offensichtlich Folterungen erlitten. Ein weiterer Gefangener kam im vergangenen Jahr unter mysteriösen Umständen in der Haftanstalt ums Leben.
Viele Opfer wagen nicht, gerichtlich gegen ihre Peiniger vorzugehen; sie fürchteten, erneut festgenommen und verhört zu werden und schließlich vor Gericht ohnehin zu unterliegen. In den vergangenen zwei Jahren sind ai zufolge in lediglich zwei Fällen Sicherheitsbeamte wegen ihrer Beteiligung an Folter oder Mißhandlungen schuldig gesprochen und verurteilt worden.
Die griechische Regierung müsse unmißverständlich klarmachen, daß sie Folter nicht dulde, fordert ai in dem Report. Festgenommenen müsse grundsätzlich die Konsultation eines Anwalts oder der Kontakt mit Angehörigen garantiert werden. Foltervorwürfe seien unverzüglich zu untersuchen und die Ergebnisse zu veröffentlichen. dora
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen