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Das Horrorskop

■ Nur wer 'Bild‘ liest, kennt sein Schicksal

Berlin (taz) — Um 9.12 Uhr war der ganze Tag schon verdorben. „Ab 19.30“, lese ich unter Löwe im Stunden-Horoskop meiner Lieblingszeitung 'Bild‘: „Sexlüstern nehmen Sie sich, was Sie brauchen.“ Nicht ich bin gemeint — ich bin Waage —, sondern mein Allerliebster. Wir sind für den Abend aber gar nicht verabredet. Kein Wunder, daß ich mich nicht auf die Arbeit konzentrieren kann. Wie heißt es denn auch bei mir? „10.30 bis 12.00 Uhr: Gedankenversunken, nicht immer aufmerksam genug bei der Arbeit.“ Stimmt genau.

Es stimmt immer. Nichts strukturiert den Tag so beklemmend genau wie das Stunden-Horoskop in 'Bild‘. Millionen Leserinnen und Leser dürfen endlich, und nur in 'Bild‘ nachlesen, zu welcher Stunde welches Schicksal zuschlägt. Tagein, tagaus berechnet Diplom-Physiker Manfred Gregor „mathematisch exakt“ den Gang der Gestirne, die „besonders schicksalhaften Stunden“ deutet uns Mauretania, die Astrologin. Nicht mehr die tägliche Hetze auf Türken, Flüchtlinge oder andere Feindbilder macht uns süchtig nach 'Bild‘. Das war vor zehn Jahren. Heute sind es die Sterne und ihre Bedeutung für die Zeit von 8.32 bis nach 19.30 Uhr. „Bevor einige Probleme nicht gelöst sind, haben Sie keine Lust auf Sex“, heißt es unter Waage. Hoffentlich darf's mir morgen besser gehen.

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