Vier »chemische Zentren« in Adlershof vorgestellt

■ Erste Schritte zur Errichtung des Technologieparks Adlershof/ Wissenschaftler werben um Geldgeber aus der chemischen und pharmazeutischen Industrie/ Wissenschaftssenator Erhardt hofft auf möglichst breite Zahl an Kooperationsabkommen

Adlershof. Auf dem Gelände der ehemaligen Akademie-Institute in Adlershof haben sich zu Beginn der Woche »vier chemische Zentren« der Öffentlichkeit vorgestellt. Die WissenschaftlerInnen warben gegenüber Firmenvertretern der chemischen und pharmazeutischen Industrie um Geldgeber.

Bis Ende 1993 ist die Finanzierung der 78 Forschungsgruppen über das sogenannte »Wissenschaftler-Integrations-Programm« (WIP) gesichert. Der Berliner Wissenschaftssenator Erhardt erhofft sich bis dahin eine möglichst breite Zahl an Kooperationsabkommen mit der Industrie. Für den CDU-Politiker bedeuten die »chemischen Zentren« den Einstieg zu einem seiner Lieblingsprojekte: dem Technologiepark Adlershof.

Von den ehemals 1.700 MitarbeiterInnen der in Adlershof zu DDR- Zeiten angesiedelten chemischen Zentralinstitute haben 325 Arbeits- und Forschungsplätze in den neuen chemischen Zentren gefunden. Sie sollen den Grundstock für eine »industrienahe Chemieforschung« darstellen.

Die Zentren, die so unhandliche Arbeitstitel tragen wie »Heterogene Katalyse« oder »Anorganische Polymere«, decken ein sehr breites Forschungsspektrum ab. Dort werden von der Hüftgelenkpfanne aus »Polyurethan-Biokeramik«, über umweltfreundliche Lacke bis hin zu Glasfasermaterialien eine Vielzahl von Werkstoffen entwickelt und untersucht. Wo die Schwerpunkte der Adlershofer Chemieforschung künftig liegen werden, hängt vor allem vom Geld und der Trägerschaft ab.

Wissenschaftssenator Erhardt sagte am Dienstag zur Finanzierung der »chemischen Zentren« über das Jahr 1993 hinaus, »es wäre eine Schande, wenn es nicht gelänge, eine Organisationsform zu finden«. Die WissenschaftlerInnen hätten nach zweimaliger Evaluierung ein »besonderes Gütesiegel«. Trotz der Unsicherheiten nach der Abwicklung der Akademie-Institute hätten sie mit »unglaublicher Hingabe« weitergeforscht.

Erhardt stellte in Aussicht, daß sich Berlin an der künftigen Finanzierung der Zentren zur Hälfte beteiligen werde. Der Vorsitzende des Organisationskomitees für die Zentren, Professor Ernst Biekert, entwerfe gerade ein Konzept, um die vier Zentren unter einem Dach als »Blaue-Liste-Institut« institutionell zu sichern. Blaue-Liste-Institute sind Forschungseinrichtungen, die je zur Hälfte von Bund und Land finanziert werden. In Anspielung auf die bisherige Weigerung anderer Bundesländer, Zentren zu übernehmen und zu finanzieren, sagte Erhardt. »Wir werden auch diese finanzielle Last übernehmen.«

Der Wissenschaftssenator weigerte sich, darüber Auskunft zu geben, woher er entsprechende Mittel in seinem Etat »umschichten« könnte. Die Zentren kosten bislang pro Jahr rund 34 Millionen Mark. An den Gebäuden der ehemaligen Akademie sind künftig erhebliche Renovierungskosten zu erwarten. Ihre apparative Ausstattung muß teilweise erst auf den neuesten Stand gebracht werden.

Die Hoffnung Manfred Erhardts geht dahin, daß sich die Industrie in Adlershof engagiert und somit die Kosten für das Land Berlin mildert. Die traditionell guten Kooperationsbeziehungen zu ehemaligen Kombinaten und VEBs sind mit dem Zusammenbruch der chemischen Industrie in den neuen Bundesländern abgerissen. Bislang haben die chemischen Zentren aus der Industrie knapp über drei Millionen Mark für Forschungsvorhaben eingeworben. Zum Vergleich: Die chemische Industrie investiert jährlich rund zwölf Milliarden Mark in die Forschung.

Auf einer Pressekonferenz am Dienstag gestand der Senator ein, daß sich das Parlament »nicht ausreichend« mit dem Thema Adlershof befaßt habe. Das Berliner Abgeordnetenhaus hat weder über die Chancen und Risiken industrienaher Forschung in einem Adlershofer Technologiepark gesprochen noch die Konsequenzen für den Haushalt beraten.

Der Wissenschaftsausschuß hat Erhardt mittlerweile um Auskunft über die von ihm angestrebte Verlagerung der naturwissenschaftlichen Fachbereiche der Humboldt-Universität nach Adlershof gebeten. cif