: Kammerphilharmonie kommt
■ Betr.: taz vom 17.6.1992
Bremen hat kein Geld — sagt der Bremer Senat. Und weil das so ist (sein soll), werden die Kindergärten immer schlechter, die Schulklassen immer voller, die Stadt immer dreckiger, die öffentlichen Gebäude immer verschlampter. Bremen hat kein Geld — und deswegen wird in Bremerhaven für 750 Millionen eine von Fachleuten als überflüssig bezeichnete neue Containerkaje gebaut. Und für die Adressenänderung eines renomierten Kammerorchesters macht der Senat mal eben einige Millionen Mark locker.
Bremen ist vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe — es war wohl eine letzte Gnade — mal gerade soeben an dem Verlust seiner Eigenständigkeit als anachronistischer Kleinstaat vorbeigeschrammt. In Karlsruhe bettelten die Koalitionäre von Rot, Gelb und Grün vereint um mehr Geld; zu Hause an der Weser werfen sie es zum Fenster raus. Der Senat kauft sich ein Orchester wie Werder Bremen sich Spieler kauft. Orchestertransfer. So werden Millionen ausgegeben, die eigentlich für andere Zwecke gedacht waren.
Nun ist gar nichts gegen ein gutes Musikensemble zu sagen, aber gelegentliche Gatstkonzerte hätten es natürlich auch getan. Nein, trotz Spar-Appelle und Verschlechterungen in vielen Bereichen für die Bevölkerung gibt es unter den Politikern einen ausgesprochenen Hang zum Luxus. Nicht nur, daß sie im Senat zur Rettung ihres politischen Überlebens und der fetten Pension zusammenklucken, auch der Hang zum Luxus, zum Angeben eint sie. Wie schön kann man/frau sich nach außen in der Republik dicke tun mit einer Kultur-Tat, die keine ist. Vielmehr ein Affront gegen alle Kulturtreibenden dieser Stadt, die immer noch einen wesentlichen Reiz und die Lebensqualität dieser Stadt ausmachen und denen die Gelder immer mehr gestrichen werden. Ein Schlag ins Gesicht auch all jener, die seit Jahrzehnten ein ordentliches Musikhaus, mindesten aber die Renovierung der verrotteten Glocke fordern. Für diese alle rührt sich im Senat keine Hand. Die taz hat in der letzten Woche die Wandlung des Oskar Lafontaine vom öffentlichen Moralisten zum Pensionsschleicher als Wandlung zur Trüffelsau überschrieben. Und genau diese Trüffelmentalität ist es, was die Bremer Senatoren eint, wenn sie Beschlüsse auf Kosten anderer und gegen die eigene Bevölkerung fällen. Sigrid und Gerhard Sander
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