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Europäischer Eiertanz in Lissabon

Der Dissenz in grundsätzlichen Fragen ist auf dem EG-Gipfel in Portugal unübersehbar/ Die Regierungschefs unternehmen heftige Anstrengungen, um Konflikte durch Verschieben zu entschärfen  ■ Aus Lissabon Antje Bauer

Der dänische Außenminister Uffe Ellemann-Jensen zeigte sich bei seiner gestrigen Ankunft zum EG-Gipfel als Fan seiner Nationalmannschaft. Über dem feinen Anzug trug er einen Schal in den dänischen Nationalfarben. Eine Reminiszenz an den deutsch-dänischen Fußgipfel in Stockholm.

Ansonsten begann der zweitägige EG-Gipfel gestern in Lissabon enttäuschend farblos. Wie erwartet, teilten sich die Meinungen, was eine Erhöhung des Kohäsionsfonds für die vier armen Mitglieder angeht, in Geber- und Empfängerländer. Vor allem der britische Premierminister Major machte einmal mehr deutlich, daß seine Regierung nicht bereit ist, zusätzliche Gelder in die EG zu buttern und daß ihm das Delors-II-Paket, das eine Zunahme der EG-Einnahmen um 30 Prozent zwischen 1993 und 1997 vorsieht, zu teuer ist. Aber auch Helmut Kohl betonte die Notwendigkeit zu sparen. Eine Möglichkeit, die sich abzeichnete, war die Aufschiebung des Inkrafttretens des Delors-Pakets auf den Zeitraum 1995 bis 1999, zumal bislang die vorhandenen finanziellen Ressourcen nicht ausgeschöpft worden sind.

Erweiterung der Komptenzen des Europarlaments gefordert

Klar wurde, daß auf dem Gipfel vermieden wird, in Zahlen festgemachte Verpflichtungen einzugehen, auch wenn der spanische Premierminister Felipe Gonzalez und sein irischer Kollege Reynolds dieses Thema als vorrangig ansahen, und daß erst auf dem nächsten Gipfel Ende des Jahres in Edinburgh darüber entschieden wird. Zu einer Grundsatzerklärung könne im Laufe des Abends wohl gekommen werden, hieß es auf den Pressebriefings. Genauere Zahlen werde man aber nicht festlegen, um Zerwürfnisse zu vermeiden.

Einigkeit demonstrierten die Regierungschefs in der Absicht, die Ratifizierung des Abkommens von Maastricht weiter voranzutreiben. Dänemark soll dabei ein Weg offengehalten werden, freilich ohne die Maastrichter Verträge nachzuverhandeln. Deutliches Zeichen in Richtung der Dänen war die Betonung des Subsidiaritätsprinzips unter anderem von Kohl und Major. Die EG solle nur diejenigen Aufgaben lösen, die von den nationalen Regierungen nicht erfüllt werden könnten, lautete die beruhigende Botschaft an die kleineren Länder. Vor allem Parlamentspräsident Egon Klepsch pochte auf eine Verstärkung der Kompetenzen des Europaparlaments. Er schlug die Einberufung einer Regierungskonferenz für die Ausarbeitung einer institutionellen Reform der EG vor. Nach der Vormittagssitzung deutete sich an, daß gleichzeitig mit der Ratifizierung der Maastrichter Verträge in den Mitgliedsländern die Vorverhandlungen über den EG-Beitritt der vier EFTA- Länder Schweiz, Österreich, Finnland und Schweden anlaufen sollen. Der Wunsch der vier armen Länder, die EG-Erweiterung erst nach Inkrafttreten von Maastricht in Angriff zu nehmen, wird dadurch verwässert. Der Vorsitzende der EG-Kommission, Jacques Delors, verteidigte das nach ihm benannte Finanzierungspaket. Es wurde erwartet, daß Delors, dessen Position nach dem dänischen Nein zu Maastricht erstmalig ins Wanken geraten war, am Freitag abend bei einem Essen der Regierungschefs für weitere zwei Jahre im Amt bestätigt würde.

Ein Abendessen, bei dem sich mancher der Staatschefs verschlucken dürfte. Die Italiener wollen ihre Probleme mit den niedrigen Milchquoten zur Sprache bringen, der Jugoslawienkonflikt und die Maghrebpolitik sollen besprochen werden, die EG-Erweiterung soll konkretisiert werden, und die offene Frage der Sitze der 17 einzelnen EG-Institutionen soll gelöst werden. Guten Appetit.

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