KOMMENTAR: Monarchie als Bauherr
■ Regierungssitz als Selbstspiegelung des Staates
Der Staat hält Einzug in Berlin. Raumgreifend besetzt er die Areale am Spreebogen und in der historischen Mitte. Um die Massivität seiner Präsenz geht zur Zeit der Streit zwischen Bonn und Berlin. Am 16. Januar dieses Jahres legte Bundeskanzler Kohl bei einem vierstündigen Spaziergang die Flächen fest, wo er sich und die seinen unterbringen will. Die mageren Worte, die er dabei sprach, sind seitdem für die Planer sakrosankt. Die Szene war geprägt von monarchischem Gehabe, das Resultat auch. Welche Gründe lassen sich am Ende des 20. Jahrhunderts dafür benennen, daß sich die Staatsgewalt in einer derartigen Massivität in der Mitte der Stadt etabliert? Keine, außer dem absolutistischen Begehren, in der Zentralität die eigene Bedeutung zu spiegeln und in dieser Massivität die Machtvollkommenheit zu verkörpern. Der Staat als Spitze der Gesellschaft, diese Symbolik dominiert die Bauvorhaben. Für die vorgesehene Zusammenballung von Verwaltungen lassen sich keine praktischen Erfordernisse ins Feld führen. Einer Bundesregierung, die es schafft, ihre Ministerien auf zwei Städte zu verteilen, um dem Proporz zu genügen, dürfte es ein leichtes sein, diese Verwaltungskörper zu parzellieren.
Auch private Investoren drängen in die Innenstadt. Die Triebfeder ist der Profit, seine Grenze findet der Sog ins Zentrum in der Bodenspekulation. Die optimale Ausnutzung der knappen Ressourcen zwingt die Unternehmen, lediglich das zur Repräsentanz Erforderliche in der Innenstadt zu belassen, die Back-office-Bereiche wandern in die Randbezirke. Auf staatliche Apparate ließe sich ähnliches anwenden. Was spricht dagegen, große Teile des Finanzministeriums nach Reinickendorf zu verlegen, das Bundeskanzleramt auch in Prenzlauer Berg residieren zu lassen? Diese Dislozierung entspräche der Polyzentralität Berlins und würde zudem eine Förderung des Ostteils ermöglichen. Die großen Brachen, die für den Regierungssitz zur Verfügung stehen, haben die staatlichen Planer von vorneherein in großen Dimensionen denken lassen. Die Korrektur dieses Vorgehens heißt in der Zielsetzung Reduzierung auf stadtverträgliche Maße und Mischungen, in der Form Bürgerbeteiligung bei der Gestaltung — Demokratie als Bauherr. Dieter Rulff
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