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BAW: 570 Hektar Luneplate ausweisen

■ Gutachten Bremerhaven 2000: Mehr Arbeit durch mehr Flächen und Umschlag

Mindestens 570 Hektar der Luneplate müssen noch als Gewerbegebiet ausgewiesen werden, wenn die Krise der Bremerhavens überwunden werden soll. Zu diesem Ergebnis kommt der Bremer Ausschuß für Wirtschaftsforschung (BAW), der nach fast vierjähriger Arbeit jetzt sein vom Magistrat der Seestadt in Auftrag gegebenes Gutachten „Bremerhaven 2000“ vorgelegt hat.

Ausgangspunkt für die Empfehlungen der Wirtschaftsforscher ist eine schonungslose Ist- Analyse Bremerhavens. Der Untergang der Hochseefischerei und die Werftenkrise stürzte die Stadt in eine Krise, von der sie sich bis heute nicht erholt hat. Zwischen 1977 und 1986 stieg die Zahl der Arbeitslosen von 4.339 auf 12.158 um 186%, zwischen 1974 und 1989 sind hier 6.884 Arbeitsplätze verlorengegangen.

Mit 13.000 Mark pro-Kopf Verschuldung lag Bremerhaven 1988 abgeschlagen am Tabellenende aller vergleichbaren Kommunen. Zwischen 1977 und 1987 haben die Stadtverordneten pro Jahr zwischen 103 und 140 Millionen Mark Neuverschuldungen aufgenommen. Mit 1.155 Mark lag die Seestadt an der Spitze der pro-Kopf-Sozialleistungen (Durchschnittswert BRD: 579 Mark), der öffentliche Personalapparat verschlang 1.618 Mark pro Kopf (Durchschnitt 1.121).

Jetzt aber hat Bremerhaven die „Talsohle durchschritten“, analysiert der BAW. Bis 1995 rechnen die Wirtschaftsforscher mit 128 neuen Arbeitsplätzen pro Jahr, bis zum Jahr 2000 sollen dann noch einmal 22 p.a. dazukommen. Nach der tiefen Krise allerdings wird das die Bremerhavener Bauchschmerzen kaum lindern. Der BAW rechnet im Jahr 2000 mit insgesamt 7.000 fehlenden Arbeitsplätzen, wenn nicht ein kleines Wunder geschieht.

Zum Beispiel in der Hafenpolitik oder im umstrittenden Gewerbegebiet Lunepark. Der BAW prognostiziert ein knalliges Wachstum beim Hafenumschlag in Bremen, von 1.180.000 Tonnen (1990) auf 1.750.000 Tonnen im Jahr 2000. Allein der Anteil von Containern an allen Schiffsladungen soll in diesem Zeitraum von 20 auf 60 Prozent steigen. Selbst wenn Hamburg sich die dicken Fische beim Container- Umschlag sichere, bleibe für Bremen genug: Im Jahr 2000 vier Millionen Umschlagstonnen und 150.000 Container: Das entspricht etwa plus 10 % Ladungsaufkommen. Dieses Plus könnte für Bremerhaven gesichert werden, wenn „eine stärkere Verlagerung der Aktivitäten (von Bremen aus) in Richtung Bremerhaven mit entsprechend neuen Wertschöfpungsanteilen erfolgen sollte.“

Im Containerverkehr erwartet der BAW im Jahr 2000 fünfzig Prozent mehr Umschlag als 1990, im Fischereihafen und beim Autoumschlag sollen weitere Flächen zur Verfügung gestellt werden, um den unaufhaltsamen Aufstieg der Seestadt zu gewährleisten. Bei einem prognostizierten Wachstum von 2,5 Prozent pro Jahr errechneten die Wirtschaftsforscher einen Flächenbedarf von 9,5 Hektar pro Jahr, auf dreißig Jahre angelegt ergibt das eine Fläche von 286 Hektar. Dazu bedürfe das für und um den Fischereihafen angesiedelte Gewerbe nochmals 100 Hektar Gewerbefläche plus 100 Hektar Fläche für Infrastrukturmaßnahmen. Der Autoumschlag braucht 45 Hektar, die Verbesserung der Loco- Quote, also der Prozentsatz der Güter, die in Bremerhaven nicht nur umgeschlagen, sondern auch weiterverarbeitet werden und damit Arbeitsplätze sichert, weitere 160 Hektar. Macht genau 691 Hektar, von denen 300 Hektar „für neue wirtschaftliche Impulse“ sorgen können.

Und so geht die Rechung auf: 300 Hektar neue Impulse bei 50 Arbeitsplätzen pro Hektar: Das ergibt 15.000 neue Arbeitsplätze, die da auf Bremerhaven warten. Es werde deutlich, folgert der BAW, „daß ein erheblicher Teil, nämlich 570 Hektar, auf der Luneplate bereitgestellt werden muß. Nur bei einer solchen Größenordnung sind die für die gesamte Region erforderlichen Beschäftigungseffekte zu realisieren.“ mad

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