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Serbische Papageien

■ betr.: Leserbrief vom 23.6.92

betr.: Leserbrief von Svetislav Kostic, taz vom 23.6.92

[...] Wie Svetislav Kostic ganz richtig anmerkt, berichten westliche Korrespondenten in erster Linie über von Serben verübte Massaker. Das ist einfach unausgewogen; und der Gedanke, es könne ja daran liegen, weil die serbischen Milizen in dieser Hinsicht um einiges fleißiger sind als kroatische oder moslemische, ist natürlich völlig abwegig! Milosevic und seine Generäle, die sich nichts sehnlicher als den Frieden wünschen, waschen ihre Hände also zu Recht in Unschuld und verweisen statt dessen auf das Ausland, das sich — ebenso wie fast alle Reporter, egal woher sie kommen — gegen Serbien verschworen hat und für sämtliche Probleme verantwortlich ist. Und serbische Papageien in Westeuropa haben die undankbare Aufgabe übernommen, diese Botschaft den ZeitungsleserInnen zu künden, die ja von ihren Medien bisher meist „Desinformation“ (O-Ton Svetislav Kostic) vorgesetzt bekamen. Also, liebe JournalistInnen der taz, der 'FAZ‘, der 'Washington Post‘, des 'Guardian‘, von 'Le Monde‘, 'El Mundo‘, 'Iswestija‘ etc.pp.: Verschließt Eure Augen und Ohren und hört endlich auf mit dieser unfairen antiserbischen Pressekampagne! Übernehmt lieber die Versionen der serbischen Massenmedien (z.B. 'Politika‘), die ausgewogen und sachlich über die Vorgänge im ehemaligen Jugoslawien informieren! Diese Verschwörung muß endlich ein Ende haben!

Zu Beginn des Krieges in Kroatien sagte eine Belgrader Studentin gegenüber einem westlichen Reporter sinngemäß folgendes: „Ich weiß, daß das meiste, was unsere Medien bringen, absurder Schrott ist. Aber wenn man/frau dem Propagandabombardement Tag für Tag ausgesetzt ist, fängt man/frau nach einer Weile trotzdem an, diesen Müll zu glauben.“ Mittlerweile wissen auch in Serbien selbst viele, wer tatsächlich die Hauptschuld an diesem mörderischen Krieg und an der internationalen Isolation Serbiens trägt. Von einer derartigen Erkenntnis ist Svetislav Kostic offenbar noch Lichtjahre entfernt. Aber irgendwann stürzen auch serbische Papageien ab. Dann allerdings werden weite Teile von Ex-Jugoslawien wie eine Mondlandschaft voller Friedhöfe aussehen. Benedikt Jürgens, Münster

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