: Ehestatistik: steigend
■ Das Theater TheMa zeigt »Zu Dir oder zu mir« im Theater im Keller
Was wird wohl draus, wenn eine bigotte, »wandelnde Katastrophe mit einem smarten Bubi, der sich auch noch als pedantisch-erfolgreicher Polizist mit nicht unerheblichen Potenzschwierigkeiten entpuppt, nach Hause geht? Was wohl: eine schwierige Angelegenheit, die zur Pause mit Johann Sebastian Bach in Stereo und zwei parallel nach oben sinnierenden Augenpaaren endet. Für sie ist's Liebe, und für sie ist Sex vor der Ehe nicht drin. — Für ihn wär's Sex und eine Frage des Appetits gewesen.
In einer langen ersten Hälfte des Stückes Zu Dir oder zu mir? hatte er sein Party-Abschleppsel (»Parties werden nur gemacht, damit Pärchen sich paaren können«) glühend-gierig begehrt, angetörnt von ihrer fanatischen Begeisterung für jeglichen Ballsport und für insbesondere den Schuß von Linksaußen auf dem Fußballfeld. Dann aber verstieß sie erheblich gegen die Spielregeln, indem sie Gefühle ins Spiel brachte und obendrein in Gebetstrance verfiel, um der Versuchung zu widerstehen. Bigott eben.
Kerstin Reimann vom Ostberliner Theater-Team »TheMa« war ihrem Partner Kay Fretwurst in den ersten Szenen eindeutig überlegen. Zu steif und zu gewollt-schauspielernd stand dieser einer Schauspielerin gegenüber, die mit einem Blick oder einem hilflosen Zucken des rechten Mundwinkels mehr bot als alle Anstrengungen des von der Regie zur Lächerlichkeit verdonnerten Gigolos.
Erst nach der Pause durfte er zeigen, was in ihm steckt. Verkatert von der durchsoffenen Nacht, versucht er ungläubig, die »wandelnde Katastrophe« mit tausend Fragen löchernd, seinem Blackout das Gedächtnis wieder zu geben. Hat er nun mit ihr — oder hat er nicht?
Die »Katastrophe« indes glaubt am frühen Morgen nun, das ganze Männerproblem mit der linken Hand lösen zu können (weil er sie so hinreißend geküßt hat), und zaubert mit links und dem kleinen Finger nach dem »Mitternachtschaos«, das die blitzblanke Wohnung schon heimgesucht hat, obendrein eine Überschwemmung und einen Hausbrand herbei, beschert dem Junggesellen einen elektrischen Schlag und einen Schuß aus der Polizeipistole (knapp daneben). Danach verläßt sie seine Wohnung, um die Hochzeit vorzubereiten — sein Job ist es, sie, die namenlos gelieben ist, wiederzufinden.
Ein vielsagendes »Open end« einer netten Komödie, deren Gehalt das Haltbarkeitsdatum eigentlich schon längst überschritten hat: Es zeigt ein völlig verstörtes Mitglied einer Männerbefreiungsbewegung, deren Waffen offensichtlich untauglich sind. Fall abgeschlossen, Deckel drauf. Ehestatistik: steigend. Petra Brändle
TheMa mit Zu Dir oder zu mir? von 1. bis 5.7., 20 Uhr, im Theater im Keller
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen