: Hitler-Bunker unter Denkmalschutz
■ Der Leiter des Archäologischen Landesamtes will die Überreste des »Führerbunkers« am Potsdamer Platz erhalten/ Standort für Ministerien
Berlin. Die ehemaligen Bunkeranlagen Adolf Hitlers zwischen Voßstraße, Friedrich-Ebert- und Otto- Grotewohl-Straße sind unter Denkmalschutz gestellt worden. Verantwortlich dafür zeichnet der Direktor des Archäologischen Landesamtes, Alfred Kernd'l, der in diesen Tagen eine entsprechende Verfügung nach Bonn gesandt hat. Gegenüber der taz erklärte er gestern, mit diesem Schritt solle versucht werden, »die letzten faßbaren topographischen Fixpunkte« auf dem Gelände der ehemaligen Ministergärten zu sichern. Kernd'l betonte, es gehe ihm zunächst darum, das Gelände »prophylaktisch zu sichern«, bevor über eine neue Bebauung nachgedacht werde. Die Planung für das bundeseigene Gelände ist bis heute noch offen: Während Stadtentwicklungssenator Volker Hassemer (CDU) eine lockere Bebauung mit Ländervertretungen anstrebt, will der Bund hier Ministerien ansiedeln.
Das ausgedehnte Bunkersystem diente Hitler und seinen engsten Vertrauten in den letzten Kriegswochen als Zufluchtsort. Nach ihrem Selbstmord am 30. April 1945 wurden Hitler und Eva Braun in unmittelbarer Nähe der Anlagen verbrannt. Erste Hinweise auf noch intakte Bunkeranlagen wurden vor zwei Jahren bei Aufräumarbeiten nahe des Potsdamer Platzes entdeckt. Im Mai 1992 wurde schließlich von Kernd'l in Zusammenarbeit mit dem Vermessungsamt Mitte ein Teil der Bunkeranlagen vermessen. In einem Fahrerbunker von Hitlers Leibstandarte fanden sich Nazi-Wandgemälde, Möbel, Geschirr und sogar ein komplett erhaltener Sanitätsraum.
Kernd'l, dessen Amt dem Kultursenator untersteht, will den Ort auch nach einer Bebauung zugänglich machen. Er sei überzeugt, daß »Mythen wie an diesem Ort nicht dadurch beseitigt werden, indem man sie vertuscht, sondern zeigt, was für eine Banalität dahintersteckt«. Angst, daß Rechtsextreme daraus einen Wallfahrtsort machen, hat Kernd'l nicht: »Wer davon überzeugt ist, dem kann man nicht helfen, auch nicht, indem man die Stelle beseitigt.« Kernd'l plädierte dafür, die Bunkeranlagen in die Fundamente eventueller Neubauten wie Ländervertretungen und Ministerien zu integrieren und öffentlich zugänglich zu machen. Ein von der Publizistin Lea Rosh angeregtes Denkmal für die Opfer des Holocaust »in unmittelbarer Nähe« des Bunkers lehnt Kernd'l ab. Die Besucher kämen dann »wohl weniger wegen des Denkmals, sondern wegen der authentischen Mörderquartiere — damit schneidet man sich ins eigene Fleisch«. »Überrascht« vom Schritt Kernd'ls zeigte sich gestern Wolfgang Branoner, einer der beiden Staatssekretäre von Stadtentwicklungs- und Umweltsenator Hassemer. Er hätte von Kultursenator Ulrich Roloff-Momin erwartet, daß »man das mit uns vorher erörtert«. Branoner erklärte, er halte »persönlich« nichts davon, die Bunkeranlagen zugänglich zu machen. Ob es allerdings »fachlich geboten« sei, wisse er derzeit auch nicht zu sagen: »Ich bin da unschlüssig.« Es müsse jedoch auf alle Fälle vermieden werden, daß die »historische Kontaminierung in Form des Führerbunkers und der Reichskanzlei« zu einem Wallfahrtsort werde. sev
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen