piwik no script img

Streiks gegen Karenztag

■ Tausende wollen heute die Arbeit niederlegen

Frankfurt/Bonn (dpa/ap/taz) — Mit Arbeitsniederlegungen und Kundgebungen wollen Gewerkschafter heute gegen die Bonner Pläne zur Einführung eines Karenztages protestieren.

Die IG Metall erwartet bundesweit Aktionen in Großbetrieben gegen das Vorhaben, die Pflegeversicherung über einen gesetzlichen Karenztag zu finanzieren. Allein in Nordhessen wollen mehrere tausend Beschäftigte des Baunataler VW- Werks demonstrieren. Zu der Protestkundgebung bei VW würden rund 7.000 Beschäftigte erwartet, hieß es gestern.

Gewerkschaften, SPD und führende Rechtsexperten halten die gesetzliche Verankerung eines Karenztages für verfassungswidrig und unsozial. Einer solchen Regelung würden 80 Prozent der Tarifverträge in Deutschland entgegenstehen, die Arbeitnehmern im Krankheitsfall drei bezahlte Krankheitstage zusichern. Nach dem Vorschlag der Union — die FDP hat sich bereits distanziert — soll künftig ein Karenztag den Beschäftigten entweder vom Urlaub oder vom Einkommen abgezogen werden.

Auch am Donnerstag hielt die massive Kritik an diesem Plan an. Die zusätzliche Belastung der Arbeitnehmer für die Pflegeversicherung werde die IG Metall „mit allen Mitteln und äußerster Entschlossenheit“ bekämpfen, betonte IG-Metall- Vize Klaus Zwickel. Die Koalition provoziere mit diesem „Angriff auf die Tarifautonomie“ einen „heißen Herbst“.

Scharfe Kritik kam auch erneut von IG-Chemie-Chef Hermann Rappe. Die Arbeitnehmer müßten nach den Plänen nicht nur Beiträge zur Pflegeversicherung zahlen, sondern durch den geplanten Karenztag auch einen Ersatz für die Kosten der Arbeitgeber leisten. Einzelne gesellschaftliche Gruppen wie Beamte oder Privatversicherte seien von Beitragszahlungen ohnehin gänzlich ausgenommen, bemängelte Rappe im NDR. Der Ärzteverband Hartmannbund nannte einen Karenztag als Ausgleich für die Belastung der Wirtschaft unsinnig.

Die Krankheit des Arbeitnehmers habe mit der Pflegebedürftigkeit nichts zu tun.

Dagegen verteidigte der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Schäuble, die Einführung der Pflegeversicherung wie auch des Karenztages. Der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe in der Unionsfraktion, Heribert Scharrenbroich, sprach sich unterdessen dafür aus, das Gesetz zur Pflegeversicherung gemeinsam mit der Opposition zu erarbeiten und zu verabschieden.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen