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Der Dichter als Sammelbild

■ Heiner Müller präsentierte seine Autobiographie »Krieg ohne Schlacht«

Offenbar hatte es jemand für einen hübschen Einfall gehalten, Heiner Müllers Autobiographie ausgerechnet im »Tränenpalast«, dem früheren Grenzübergang Friedrichstraße, der Öffentlichkeit vorzustellen. Ganz auf Empfang bei der Welt in bedeutungsschwangerem Ambiente: der Verlag Kiepenheuer&Witsch und sein zigarrenschmauchender Dichterkönig gaben sich am Freitag die Ehre. Weiße Damasttischtücher, kaltes Büffet, Sekt, etwas Klimpermusik, die das Gemüt nicht unnötig beschweren sollte. Natürlich hielt das Fernsehen auch dieses Ereignis im Leben des Dramatikers fest, und die Fotografen waren dem übrigen Publikum zahlenmäßig nahezu überlegen. Begrüßungen, Umarmungen, freudiges Erkennen (»Nein, Heiner, du hier!!«). Manches bekannte Gesicht beugte sich andächtig über sein Freiexemplar, während Müller unermüdlich die ihm untergeschobenen Bücher mit seinem Namenszug verzierte. Zeremonien erfordern eine gewisse Choreographie und vor allem viel Zeit, und deshalb begann die eigentliche Präsentation verspätet.

Zunächst erklärte der Lektor des Werks, mit welcher Art Memoiren die Leserschaft es hier zu tun bekäme: mit Memoiren nämlich, die auf der Idee des Authentischen, der mündlichen Überlieferung beruhten. Deswegen gäbe es in ihnen viele »kleine Wahrheiten«. »Privates und Bezeichnendes« seien vereint auf den 430 Seiten, »bei gänzlichem Desinteresse am Begleichen von Rechnungen«. Aha. Eigens um den Text in den Rohzustand zu bringen, hätte sich der Autor auf eine kleine, einsame Insel im Atlantischen Ozean zurückgezogen. (So haben wir uns den Dichterberuf immer in unseren pubertären Phantasien ausgemalt!) 50 Tonbänder hat Müller in der Klausur besprochen, vier selbstlose Mitarbeiter nahmen sich ihrer an — das Ergebnis liege vor uns. »Krieg ohne Schlacht weist gewissermaßen in die Zukunft«, und das Buch »möge im neuen ost-west-deutschen Grabenkrieg vermitteln«, endete der Lektor.

Dann durfte Müller ans Mikro. Seine eigentliche Arbeit sei das Stückeschreiben, schickte er voraus: »Mein Interesse an meiner Person reicht zum Schreiben einer Autobiographie nicht aus«. Trotzdem hat Müller diese »Beschreibung der DDR, die auch eine Übermalung ist«, veröffentlicht. Der Verlag verbreitet die Legende, daß der Autor zu diesem Buch überredet werden mußte. Müller las nur den kurzen Anhang »Erinnerungen an einen Staat« und bat die Zuhörer, Ergänzungen zum Vorgetragenen, Korrekturen gleich festzuhalten. Das war's dann schon. »In letzter Zeit geht er mir etwas auf die Nerven«, flüsterte mir meine Nachbarin mit nervösem Lächeln zu. Die Augen der Betrachter werden etwas kälter. Status quo. Abschied von morgen. Aber der Sekt war ausgezeichnet. Und die Klappkarte mit dem Konterfei des Autors auf beiden Seiten, die der Verlag als Einladung verschickt hatte, paßt vortrefflich in jede Starpostkartensammlung. What we need is a Müller-T-Shirt: now. Anke Westphal

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