: Warum nicht gleich in den Papierkorb?
Bundesumweltminister Töpfer sucht eine EG-Richtlinie zu verwässern, die allen freien Zugang zu behördlichen Umweltdaten ermöglichen soll ■ Von Undine von Plottnitz
Es ist notwendig, in der Gemeinschaft allen Personen freien Zugang zu den bei den Behörden in Schrift-, Bild- und Tonform verfügbaren umweltbezogenen Informationen über den Zustand der Umwelt, Tätigkeiten oder Maßnahmen, die diesen Zustand negativ beeinflussen oder negativ beeinflussen können, sowie über Tätigkeiten oder Maßnahmen zum Schutz der Umwelt zu gewährleisten.
Dieser Satz steht in der Einleitung einer europäischen Richtlinie, deren Umsetzung in der Bundesrepublik einschneidende Veränderungen im bisher so hermetisch abgeschotteten Behördenbereich verursachen könnte. Wo bisher beamtenselige Geheimniskrämerei nicht selten fatale Kumpanei mit umweltzerstörenden Unternehmen vertuschen half, soll es nun jedeR genauer wissen dürfen. Ein hohes Ziel, dessen Verwirklichung in Deutschland, dem Paradies für Behördenfilz und Faulheit, auf wenig Gegenliebe stößt. Denn man weiß: Wissen ist Macht.
Besonders im sensiblen Bereich der ökologischen Verbrechen und Skandale. So wird derzeit in Bonn ganz fieberhaft an einer Umsetzung gestrickt, deren Auswirkungen auf den bisherigen Trott des Amtsschimmels wohl kaum zu spüren sein werden.
Angelegt ist dieser Mißstand allerdings bereits im Richtlinientext. Der meint, in „ganz bestimmten, genau bezeichneten Fällen“ könne es gerechtfertigt sein, umweltbezogene Informationen zu verweigern. Da kann man denn das künftige Gesetz auch gleich in den Papierkorb werfen.
Umweltverbände oder auch Einzelpersonen interessieren doch gerade solche Informationen, die Grundlage eines Rechtsstreits werden könnten.
Ähnliches gilt für die im Ausnahmenkatalog genannten „Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse“. All das, was aus Schloten dampft oder Abwasserrohren tropft, kann ein Betriebsgeheimnis sein. Nur völlige Offenheit bietet noch eine geringe Chance, umweltschädigende Auswirkungen zu minimieren oder gar zu vermeiden.
Bisher haben in der Bundesrepublik lediglich jene Personen ein Recht auf Akteneinsicht, die als Beteiligte in einem Verwaltungsverfahren stehen.
Die umzusetzende Richtlinie böte nun die Chance zu mehr Offenheit. Wie diese theoretisch sogar für den gesamten staatlichen Bereich aussehen könnte, machen die Vereinigten Staaten seit Mitte der sechziger Jahre mit ihrem „freedom of information act“ vor. Doch die Verantwortlichen in der Bonner Regierung wollen nicht einmal den kleinsten Schritt in diese Richtung gehen.
Damit das künftige Umweltinformationsgesetz nicht zu einem nutzlosen Stück Papier verkommt, muß es unbedingt einige wichtige Voraussetzungen erfüllen:
Ausnahmen:Grundsätzlich darf es keine Ausnahmeregelungen geben. Die im Richtlinientext genannten Fälle — „Vertraulichkeit der Beratungen von Behörden, die internationalen Beziehungen und die Landesverteidigung sowie die öffentliche Sicherheit“ — können nicht pauschal ausgeschlossen werden. Besonders im militärischen Bereich sind solche Kontrollmöglichkeiten dringend gefordert.
Verfahrensregelungen:Die formalen Anforderungen an den Informationsantrag sind knapp und vor allem leicht verständlich zu halten. Eventuelle Gebühren dürfen nicht zu hoch sein. Ferner gilt es, innerbehördlich genau festzulegen, auf welche Art und Weise die Information zugänglich gemacht wird. Denn die Richtlinie spricht von einem Informationsrecht, bedauerlicherweise aber nicht von einem Akteneinsichtsrecht. Die Fristen, innerhalb derer die Behörden Auskünfte erteilen müssen, sollten sehr eng (höchstens zwei Wochen) gefaßt werden.
Daten:Informationen sind nur dann informativ, wenn sie auch verständlich sind. Den Behörden muß die Verpflichtung obliegen, die gewünschten Daten verständlich aufzubereiten. Nur Fachleuten ist mit unkommentierten Zahlenkolonnen gedient. Doch das künftige Umwelt- Informationsrecht darf nicht zu einem Spezialisten-Auskunftsrecht verkommen.
Kompetenzen:Noch ist nicht geklärt, ob denn die Informationspflicht der Bürger überhaupt in die Bundeshoheit fällt. Selbst wenn dem so wäre, spricht doch nichts dagegen, daß auf Länderebene weitergehende gesetzliche Bestimmungen getroffen werden, die den zu erwartenden schwammigen Bundesrahmen sprengen.
Daß den Bonner Verantwortlichen in Sachen Umweltschutz ein Recht der Bürgerinnen und Bürger auf Umweltinformationen ein Dorn im Auge ist, kann angesichts der zahllosen Vergehen und Schlampereien nicht verwundern. Vor dem Europäischen Gerichtshof ist Bundesumweltminister Töpfer dank schleppender, unvollständiger oder gar völlig mißratener Umsetzungen europäischer Richtlinien zum Schutz der Natur ein alter Bekannter. Erleichterter Zugang zu den bisher gehüteten Amtsgeheimnissen brächte den Industriekumpanen sicher noch häufiger in die Schlagzeilen.
Ein „freedom of information act“ für alle Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Gemeinschaft — so lautet das nächste Ziel.
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