: Segel an Segel
■ US-Segelheld Dennis Conner gewinnt gegen seinen Erzrivalen Paul Cayard das Baltic Match-Race in Kiel
Kiel (taz) — „Die nehmen uns im Halbfinale nur als Kanonenfutter“, befürchtete der Kieler Skipper Jörg Diesch, der beim beim Baltic Match-Race auf der Kieler Innenförde sensationell als einziger deutscher Segler ins Halbfinale des höchstdotierten deutschen Segelereignisses eingezogen war. Nach der Round-Robin-Runde, in der alle zehn Match-Racer, unter ihnen die weltbesten Segler, gegeneinander antraten, belegte Diesch mit sechs Siegen überraschend Platz drei. Dann kam es jedoch wie erwartet. Im Semifinale hatte er gegen Amerikas Segelidol Dennis Conner keine Chance.
„Mentale Fitneß“, gibt der Kieler Lokalmatador als wichtigsten Grund seines dennoch guten Abschneidens an. Denn neben Glück zählt beim Match-Race, dem direkten Kampf zweier Boote, vor allem Taktik und eine gute Kenntnis der Vorfahrtsregeln. Jedes Rennen beginnt schon vor dem Start. Wenn der Startschuß über die Kieler Innenförde gellt, ist der Zweikampf der beiden Yachten schon fast entschieden. Fünf Minuten tummeln sich die Kontrahenten zuvor in der Nähe des Startbootes. Die gelb- rote Protestfahne griffbereit, segeln sie waghalsig-enge Wenden und lauern kreisend umeinander — in einem kleinen Bötchen verfolgt von einigen Schiedsrichtern, die sofort über Regelverstöße urteilen. Damit nehmen sie eine durchaus entscheidende Position ein. Wem es gelingt, vom Gegner behindert zu werden, darf sich freuen, denn dieser muß einen zeitraubenden Strafkringel drehen.
Das packende Katz-und-Maus- Spiel gilt der besten Startposition. Wer den Gegner zu Beginn in seinem Windschatten läßt, segelt häufig auch eine halbe Stunde später nach einem Kurs um zwei Wendemarken als erster durchs Ziel — begleitet vom Applaus einiger hundert Zuschauerinnen und Zuschauer. Besonderer Reiz dieser Art des Segel-Wettkampfes ist vor allem die Nähe zum Ufer und damit zum Publikum. Dies bestaunte das Stelldichein der Seglerelite — von einer bayerischen Blaskapelle, die der Hauptsponsor mitbrachte, kräftig vertont — beim Wochenendausflug. Match-Race reiht sich an Match-Race, und Konsul Wulf Rauno, Vorsitzender des ehrenwerten Kieler Yacht-Clubs, freut sich über die Renaissance des Kampfes Boot gegen Boot: Segelte doch Kaisers „Meteor“ bereits im vorigen Jahrhundert im Match- Race gegen die „Germania“.
„Alle Crews haben das gleiche Boot, alle haben den gleichen Wind, trotzdem sind aber die Favoriten vorne“, beschrieb Christoph Schumann, Moderator des Spektakels, die einfache Regel dieses Baltic Match-Races. Favoriten waren vor allem die Profis aus Amerika und Australien. „Seit Jahren machen sie nichts anderes als Segeln“, erkennen die deutschen Skipper den Erfahrungs-Vorsprung an. So dienten Markus Wieser, Achim Griese und Jochen Schümann nur als Punktelieferanten. Dominiert wurde das vierte Baltic Match- Race von America's-Cup-erfahrenenen Skippern. Paul Cayard und der dreifache America's-Cup- Sieger Dennis Conner segelten in der Vorrunde allen davon und kreuzten ebenso ins Halbfinale wie der Australier Peter Gilmour. 140.000 Mark Preisgelder segelten die vier untereinander aus, im Finale siegte Conner schließlich gegen Cayard.
„Mir ging es nicht um das Preisgeld. Ich wollte noch einmal Erfahrung für Olympia sammeln“, tröstete sich Weltmeister Jochen Schümann, der in der Vorrunde nur dreimal gewinnen konnte. In Barcelona wird der Soling-Segler mit seiner Crew eine Neuauflage des Baltic Match-Race probieren können. Dort trifft er wieder auf das amerikanische Soling-Team, das in Kiel zu Trainingszwecken beim Segelidol Dennis Conner angeheuert hatte. Die Tricks des Profis werden ihnen nützen, denn erstmals endet auch der olympische Wettkampf mit einem Match-Race. Rainer Kirchhefer
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen