: Mehrheitsfähig unausgewogen
■ Hans Scheibner mit »Hohn & Gelächter, Satire 92« in den Wühlmäusen
Stellen Sie sich vor, sie wären Manager von Karstadt. Würden Sie dem Kanzler die Abteilung Gardinen und Teppiche anvertrauen?« fragt uns Hans Scheibner und erntet mit dieser dusseligen Frage erwartungsgemäß die ersten Lacher im Publikum, vor allem von den Einzelhandelsfachverkäufern. Sicher würden wir so einem unsere Geschäfte niemals anvertrauen. Und weil das so ist, ist die Vorstellung eben so komisch — und Hans Scheibner seit Jahren so erfolgreich.
Am Sonntag hatte das wohlbeleibte Nordlicht unter den saturierten West-Satirikern bei den Wühlmäusen Premiere, und seine »Kleine- Leute-Geschichten« kamen bei den kleinen Leuten gut an. Ob er über die Steuersenkungen für Spitzenverdiener oder den betonküssenden Papst lästert, ob er den Besser-Wessi Karl- Heinz mimt oder einen besoffenen Oberstleutnant, was aus Scheibner rauskommt ist immer auf der richtigen Seite der politischen Moral und trotzdem satirisch mehrheitsfähig.
Vielleicht lädt ihn das öffentlich- rechtliche Fernsehen, trotz aller Querelen, gerade wegen dieser Art ausgewogener Unausgewogenheit, immer wieder so gern ein. Der Jäger 90 als Kulturgut, die tägliche Blechlawine als Baustellenpoker: gerade weil die rechte Trennschärfe zwischen mittelständischer Empörung und mittelständischer Komplizenschaft so oft fehlt, wird Scheibner, rund und gesund, sein Publikum noch etliche Jahre gefahrlos mit braver, wenn auch kurzweiliger Gesellschaftskritik verwöhnen können. Wer mehr verlangt als witzige Pointen und das Neuste vom realsatirischen Tage, muß ja nicht hingehen. Klaudia Brunst
Hans Scheibner: Hohn & Gelächter, Satire 92 bis 25. Juli, täglich außer Montag um 20.30 Uhr bei den Wühlmäusen, Nürnberger Str. 33
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